Samstag, 2. Juni 2018
Eleison Kommentare DLXVIII (568)

Mozart, hinterfragt

Bischof Williamsons Eleison Kommentare,
Nummer DLXVIII (568)

Mutter Natur, Frau Musika — ein hohes Lob auf beide!
Wer sie nicht schätzt, erfährt den Preis zu seinem eig’nen Leide.

 

Nachdem Mozart in der Ausgabe 550 dieser „Kommentare“ (27. Januar 2018) mit hohem Lob bedacht worden war, bekannte ein Leser in einem privaten Schreiben, daß er ein Problem mit dem berühmten Komponisten hat: Mozart war ein begeisterter Freimaurer; er vollendete in seiner zweiten Lebenshälfte kein größeres Werk für die katholische Kirche mehr; seine Opern stellen die Beziehungen zwischen Mann und Frau in sehr frivoler Form dar. Nun ist die Musik in den Seelen der Menschen so wichtig, daß die Einwände dieses Lesers eine öffentliche Antwort verdienen, damit Leute, die Mozart noch nicht kennen, dazu ermuntert — natürlich nicht gezwungen — werden mögen, in ihren Mußestunden seiner Musik zu lauschen. Wir wollen hier also einige Prinzipien beleuchten, die für jeden der drei Einwände des Lesers Gültigkeit besitzen.

Daß Mozart Freimaurer war, ruft ein höchst wichtiges Prinzip in Erinnerung: Der Künstler und seine Kunst sind nicht getrennt, aber verschieden. Was die moralische Güte des Künstlers als Mensch ausmacht, ist nicht dasselbe, was die künstlerische Qualität der von ihm geschaffenen Werke ausmacht (Summa Theologiae, 1a 2ae, Q 57, Art. 3). So war Picasso persönlich ein Lump, aber seine Kunst ist, lediglich als solche gesehen, brillant, während zahllose viktorianische Maler persönlich hochmoralisch gewesen sein mögen, ihre Bilder jedoch so ungenießbar wie Wasser aus der Gosse sind. Dementsprechend hat die Freimaurerei sicherlich bei einigen der späteren Kompositionen Mozarts, insbesondere der „Zauberflöte,“ eine Rolle gespielt, aber die Musik steht auf ihren eigenen Füßen und verdankt ihre Schönheit ganz gewiß nicht dem Krieg der Freimaurerei gegen Gott, sondern Mozarts tief katholischen Eltern und seiner Jugendzeit in dem ausgeprägt katholischen Österreich der Kaiserin Maria Theresia.

Zum zweiten Punkt: Daß Mozart in reiferem Alter nie ein größeres Werk für die Kirche vollendet hat, stimmt insofern, als die Messe in c-Moll und das Requiem unvollendet sind, doch wie oft werden diese beiden Werke gespielt, und mit was für eine religiöse Wirkung! Und gibt es irgendein Musikstück, das in katholischen Kirchen und Kapellen so oft gespielt und gesungen wird wie Mozarts „Ave Verum Corpus“? Außerdem , wenn wir implizit katholische von explizit katholischer Musik unterscheiden, kann dann jemand ernsthaft bestreiten, daß Mozart — wie Shakespeare — ein gewaltiger Träger katholischer Werte ist — bei Mozart sind diese Werte Harmonie, Ordnung, Ausgewogenheit und Freude für zahllose Hörer? Sind diese großen Künstler, die implizit und ihrem Erbe nach Katholiken waren, Geschenke Gottes, die es Post-Katholiken ermöglichen, katholische Werte zu verinnerlichen, ohne sich dessen bewußt zu werden? Würden sich die Post-Katholiken dessen gewahr, würden sie diese Werte dann nicht verschmähen, so wie die Erzliberalen heute Shakespeare an sogenannten „Universitäten“ und zweifellos auch Mozart an sogenannten „Konservatorien“ „dekonstruieren“? Doch können die heutigen liberalen Schauspieler und Musiker Shakespeares und Mozarts Herz auch nur annähernd erfühlen? Was besagt das über dieses Herz? Es gefällt den Liberalen nicht!

Zum dritten Punkt. Dass einige von Mozarts Oper teilweise so frivol sind, daß sie bei Beethoven auf Ablehnung stießen — „Ich könnte nie so frivole Opern schreiben“, meinte er —, darf uns nicht dazu verleiten, den ernsthaften Teil derselben Opern zu übersehen. Neben Zerlinas Flirten lodern die Flammen von Don Giovannis Verdammnis; seine Schürzenjägerei hindert den Grafen nicht daran, sich ehrlich bei seiner leidenden Gräfin zu entschuldigen; in „Die Entführung aus dem Serail“ wird die Vergebung hoch geschätzt. In einer gefallenen Welt ist das reale Leben sowohl komisch als auch ernsthaft. Man sehe nur, wie Mozart am Anfang von „Don Giovanni“ den Kampf und Tod eines Duellanten mit der überbordenden Panik von Don Giovannis hasenfüßigem Diener Leporello musikalisch kombiniert. Sicherlich hat Mozart — wie Shakespeare — das Leben „stetig und ganz gesehen,“ wie Matthew Arnold von Sophokles sagte.

Allerdings ist und bleibt es ein Zug von Mozarts Charakter, daß er ein Lausbub war (vgl. den Film „Amadeus“), und er bildet einen integralen Bestandteil einer Christenheit, die bereits am Ende des 18. Jahrhunderts dekadent war. Doch verglichen mit dem seitherigen Niedergang der Musik, ist seine Musik nicht beinahe engelhaft, ohne deshalb so weit von unseren eigenen Zeiten entfernt zu sein, daß sie unzugänglich scheinen mag? Wer Schundmusik hört, deren Melodie, Harmonie oder Rhythmus nur geringen oder gar keinen Wert an sich besitzt, schadet dadurch seiner Seele. Gewöhnt er sich stattdessen daran, Mozart zu hören, so wird er seiner Seele schwerlich schaden, ganz im Gegenteil.

 

Kyrie eleison.

 

 

(2. Juni 2018)

 

 

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