Samstag, 14. April 2018
Eleison Kommentare DLXI (561)

Argument gegen Lefebvre — II

Bischof Williamsons Eleison Kommentare,
Nummer DLXI (561)

Einen Erzbischof gab uns der Herr in seiner Güte
Auf daß die Tradition er uns bewahre und hüte.

 

Gibt es einen Grund dafür, dass N. M. (siehe die letztwöchige Ausgabe dieser „Kommentare“) bei seinem Versuch, das Problem der Konzilspäpste in den Griff zu bekommen, die dramatische Lösung wählt, daß sie gar keine Päpste waren oder sind? Allem Anschein nach ja. Die katholische Kirche ist sowohl menschlich (als Gesellschaft von Menschen) als auch göttlich (da sie vom Heiligen Geist besonders belebt ist), und es ist wichtig, diese beiden Dinge nicht miteinander zu verwechseln. Alle Menschen sind als solche fehlbar. Gott allein ist unfehlbar. Der Irrtum, den Katholiken begehen, wenn sie zur derselben dramatischen Lösung greifen wie N. M., besteht darin, daß sie den menschlichen Päpsten allzu viel von jener Unfehlbarkeit zusprechen, die nur von Gott allein kommen kann. Zur Veranschaulichung wählen wir ein Beispiel aus irgendeinem modernen Haushalt.

Wenn ich einen Stecker in eine Steckdose an der Wand stecke, kommt der elektrische Strom nicht von dem Stecker, sondern von einem Kraftwerk, das ihn durch den Wand und die Steckdose in den Stecker und jedes beliebige Gerät leitet, welches den Strom benötigt. Dieses Kraftwerk ist Gott. Die Wand und die Steckdose sind die Kirche. Der Strom ist die Unfehlbarkeit, die von Gott kommt. Der Stecker sind die vier Bedingungen, die der Papst allein in die Steckdose einleiten kann. Diese Bedingungen lauten bekanntlich wie folgt: 1) Er muß in seiner Eigenschaft als Papst sprechen 2) um ein und für alle Male 3) eine Frage des Glaubens oder der Moral festzulegen 4) in der Absicht, sämtliche Katholiken zur Akzeptanz seiner Entscheidung zu verpflichten. Wenn der Papst alle vier Bedingungen erfüllt, hat er, und nur er allein, als Mensch garantierten Zugang zu der göttlichen Unfehlbarkeit der Kirche. Für die Erfüllung der vier Bedingungen muß der Papst sorgen. Für die Unfehlbarkeit sorgt Gott.

Selbstverständlich ist diese besondere Steckdose, als Außergewöhnliches Lehramt der Kirche bekannt, nicht der einzige Zugang, den Menschen zur Unfehlbarkeit der Kirche erlangen können. Dies gelingt ihnen bedeutend häufiger durch das Gewöhnliche Lehramt der Kirche, bei dem es sich um die katholische Tradition handelt, d. h. um all das, was die Lehrer der Kirche, insbesondere Päpste und Bischöfe, überall auf der Welt gelehrt haben, seit Jesus Christus als Gott dieses Lehramt des Glaubens Seiner Kirche anvertraute, die Unfehlbarkeit der Apostel an Pfingsten bekräftigte und ihnen diese Unfehlbarkeit weiter verlieh, bis der letzte von ihnen gestorben war. Von da an war diese Doktrin in den Händen fehlbarer Menschen, denen Gott ihren freien Willen ließ und damit auch die Möglichkeit, den Irrtum zu lehren, sofern sie sich hierfür entschieden. Doch für den Fall, daß menschlicher Irrtum zweifelhaft erscheinen lassen sollte, was zu der unfehlbaren Doktrin gehörte und was nicht, gab Gott Seiner Kirche auch das Aussergewöhnliche Lehramt, und zwar darum, um ein für alle Male festzulegen, was zum Gewöhnlichen Lehramt gehört und was nicht. Somit verhält sich der Gewöhnliche Lehramt zum Außergewöhnlichen wie der Hund zum Schwanz und nicht wie der Schwanz zum Hund!

Das Problem zahlloser Katholiken seit der feierlichen Definition der Unfehlbarkeit der Kirche im Jahre 1870 besteht darin, daß, weil der Zugang des Außergewöhnlichen Lehramts zur Unfehlbarkeit der Kirche auf eine Weise garantiert ist, die für das Gewöhnliche Lehramt nicht gilt, ersteres den Vorrang vor letzterem zu haben scheint, weshalb die Katholiken dazu neigen, die Bedeutung des Außerordentlichen Lehramts zu überschätzen und dem Papst persönlich jene Unfehlbarkeit zuzuschreiben, die in Wahrheit einzig und allein die Kirche automatisch besitzt. Dies bedeutet folgendes: Wenn der Papst schwerwiegende Irrtümer begeht wie jene, denen die Konzilspäpste verfallen sind, ist die einzig mögliche Erklärung dafür, daß sie gar keine Päpste sind. Oder aber: Wenn sie doch Päpste sind, dann muß man ihren Irrtümern folgen. Die Logik dieses Gedankenganges ist einwandfrei, doch beruht er auf einer falschen Prämisse. Päpste sind durchaus nicht so unfehlbar, wie manche meinen. Sie können ernsthafte Irrtümer begehen, wie Vatikan II und seine Konzilspäpste gezeigt haben – Irrtümer, wie sie noch nie zuvor in der gesamten Kirchengeschichte vorgekommen sind! Aber die Kirche bleibt unfehlbar, und darum weiß ich, daß die katholische Tradition bis zum Ende der Welt bestehen wird, so sehr sich irgendwelche bedauernswerte Päpste ab und zu bemühen mögen, möglichst schlimme Dinge anzurichten.

Doch wie weiß ich, daß dem Papst als Papst nur der Stecker (die vier Bedingungen) und nicht der elektrische Strom (die Unfehlbarkeit) zukommt, und daß der Strom selbst nur der Wand (der Kirche) gehört? Weil die Definition der Unfehlbarkeit im Jahre 1870 dies ausdrücklich festhält! Ich brauche nur zu lesen, was dort geschrieben steht: Wenn der Papst die vier (oben erwähnten) Bedingungen erfüllt, ist er „im Besitze jener Unfehlbarkeit, von der der Göttliche Erlöser wollte, dass seine Kirche bei der Festlegung der Doktrin bezüglich Fragen des Glaubens oder der Moral ausgestattet sein sollte.“

Somit steht es katholischen Päpsten frei, furchtbare Irrtümer zu begehen, ohne daß die Kirche deswegen weniger unfehlbar wäre.

 

Kyrie eleison.

 

 

(14. April 2018)

 

 

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