Montag, 5. März 2018
Gut und Böse

Respekt

Eine Begriffsanalyse von Lajos Rohonczy

Das große Fastenfressen für die Ärmsten: Vor allem im Advent sprudelt es nur so auf überfüllten Charity-Diner-Tischen — bei Kaviar und Champagner spendet es sich gleich viel leichter [Bild: Ausriß „theconversation.com", die diesen Mißstand beschreiben]

Diktat sekulärer Gesetze

Wenn man als Christ die Heilige Schrift in die Hand nimmt, so ist in einem der Gesetzbücher, konkret: im dritten Buch Mose (Levitikus), Kapital 20, dreizehnter Vers zu lesen: Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Gräueltat begangen; beide haben den Tod verdient … So der Wortlaut in der Einheitsübersetzung aus dem Jahre 2016.

Wie soll nun der Gläubige, der sich an die Vorgaben der Bibel halten soll, reagieren? Die Antwort liegt auf der Hand: Auch wenn der Gedanke an Analverkehr, an Kot, dem Christen Ekel bereitet, der bis zu körperlichen Abwehrsymptomen wie Erbrechen führen kann, dann erheischt es die Beachtung der Gebote des Staates — der kein christlicher Gottesstaat ist —, hier nicht selbst in die Rolle des Richters zu schlüpfen. Ein solches Dulden, auch wenn es schwerfallen mag, da ein Christ die Gebote der Heiligen Schrift ernstzunehmen hat, nennt man gemeinhin Respekt, hier: Respekt vor dem Gesetz.

Einen minderen Grad an Respekt zeichnet einen roten Politiker aus Helvetien aus, der eine Subventionierung bibeltreuer christlicher Jugendgruppen ablehnt, weil Organisationen mit solch einem extremistischen Gedankengut in der Schweiz nichts verloren haben

Respekt äußert sich in vielerlei Formen: Zum Beispiel ist man freundlich, auch wenn man sich gerade mies fühlt. Man verschont die anderen mit seinen Befindlichkeiten — aus Respekt.

Die Barbaren lauern überall

Szenenwechsel. Die Barbaren lauern überall. Unter diesem Titel berichtet ein Autor in der „Neuen Zürcher Zeitung“ vom 30. Oktober 2017 über Alain Finkielkraut und vor allem über Claude Lévi-Strauss. Letzterer verneint das Vorhandensein eines Maßstabes, um Kulturen zu vergleichen. Wer für sich in Anspruch nimmt, sozusagen die Spitze der Menschheit zu repräsentieren, dem ruft er zu: Ein Barbar ist vor allem derjenige, der an die Barbarei glaubt. 

1971 sorgt Lévi mit einer Rede vor der UNESCO für einen Skandal: Wenn Kulturen, welche die Menschen in ihrer Lebensweise prägen, miteinander nicht verträglich sind, dann kommt es zu Abgrenzungsreaktionen, die bis zur Feindseligkeit reichen können. Lévi sieht darin ein natürliches menschliches Verhalten. Diejenigen, die durch eine ferne Kultur geprägt seien, wirkten durch ihr Anderssein bedrohlich für die eigene kulturelle Identität. Lévi erstellt damit einen für uns beklemmend aktuellen Befund. Der Ausweg besteht augenscheinlich in einer bestimmten Form des Respekts, und zwar durch die Einhaltung eines physischen Abstands zwischen Angehörigen inkompatibler Kulturen. Niemandem soll das Trauma zugemutet werden, außerhalb seines Heimatlandes leben zu müssen. Der NZZ-Autor streift auch kurz die Sichtweise Jean-Paul Sartres, den seinerzeit eine Art schwarze Apartheid in Gestalt der Ideologie der Négritude fasziniert.

Kaviar-Fressen für die ärmsten der Armen

Stichwort Moraladel. Eine wirklichkeitsferne Elite lebt materiell in der besten aller Welten, und weiß kaum etwas von jener, in der die Verlierer zu Hause sind. Wobei anzumerken ist: Der Begriff Elite wird hier augenzwinkernd und mit leichter Ironie verwendet. Denn tatsächlich ist mancher, der sich der Elite zugehörig fühlt, ein moralischer Kretin, wie er im Büchel steht.

Beim neuen Moraladel ist mitunter auch gegenüber dem eigenen Dienstpersonal der Respekt, selbst der menschliche Anstand, mit freiem Auge kaum sichtbar. Man hört gehäuft von Fällen, wo solch neues Gesinde ausgequetscht, wie Tiere gehalten wird. Während sich die Herrschaft menschenfreundlich gibt, an Demos für Unterdrückte teilnimmt, eine Crowdfunding-Kampagne zugunsten der Kaffeepflücker Nikaraguas organisiert, Kampagnen in den sozialen Medien entfacht, Versorgungssuchende aus fernen Landen beklatscht, darf die Dienerschaft, die jetzt Service heißt, rund um die Uhr den Schmutz in den Dachgeschoßwohnungen ihrer Gebieter wegräumen. Gleichzeitig suhlt sich die Elite im Bewußtsein, einer armen Haut aus den Gebieten der EU-Osterweiterung das Überleben zu sichern. Auf bürokratischen Kram wird großzügig verzichtet. Wozu denn der Putzfrau durch Anmeldung bei der Krankenkasse den Lohn schmälern?

Das gute Gewissen erkaufen

Angesichts dieser Werte-Seligkeit der Elite fühlen sich diejenigen, die weder wohlhabend sind und noch über viel Tagesfreizeit verfügen, als Menschen zweiter Klasse. Die Begüterten, die ihre Werte umfassend ausleben dürfen, neigen auch dazu, darauf stolz zu sein und sich deswegen über andere zu erheben. Der moderne Ablasshandel qua Dritte-Welt-Solidarität, Me-too-Shit-Storm und Kunstaktionismus garantiert dem Moraladel ein gutes Gewissen. Wer hingegen arm ist, sozusagen ein Werte-Prolet, erscheint als mangelhaft in moralischem Sinn, wenn nicht gar als minderwertig. Und hat nach Meinung der Hautevolee deshalb keinen Anspruch auf Respekt.

„Nec laudibus nec timore!“

Seliger Clemens August Kardinal von Galen, Wahlspruch

Es gelten die traditionellen katholischen Begriffsdefinitionen.

 
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