Freitag, 9. Juni 2017
Eleison Kommentare DXVII (517)

Raffinierte Heuchelei

Bischof Williamsons Eleison Kommentare,
Nummer DXVII (517)

Es trügt der Schein. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.
Drum dürfen wir Franziskus einen Kirchenmörder nennen.

 

Nehmen wir einmal an, Pater Gleize habe in seinem ersten Artikel, den wir hier vor sechs Wochen besprachen, die Wahrheit geschrieben, nämlich, es ist nicht bewiesen worden, daß Päpste der Häresie nicht verfallen können. Um Seelen zu retten, mag Gott von Luthers Zeit bis zum heutigen Tage den Autoritäten Seiner Kirche im dekadenten fünften Zeitalter besondere Gnadenmittel verliehen haben, um dieser Dekadenz zu widerstehen, aber mit Vatikan II ging dieses Zeitalter faktisch zu Ende. Die Konzilspäpste haben den Tod der Kirche bedeutet. Doch sind sie in formeller Hinsicht Ketzer? Im wichtigsten Teil seines zweiten Artikels rückt Pater Gleize die Frage in den Mittelpunkt, wie es diesen Päpsten bloß gelingen konnte, der Kirche den Todesstoß zu versetzen, indem sie die katholische Kirche unterwanderten, während sie zugleich unverdrossen behaupten, sie bleiben Katholiken. Worin besteht ihre Technik? Pater Gleize untersucht den Fall der fünf „dubia“ oder zweifelhaften Punkte, welche die vier Kardinäle zum Anlaß nahmen, um ihre Bedenken gegen den Text des von Papst Franziskus verabschiedeten Dokuments „Amoris Laetitiae“ (AL) zu bekunden: Machen diese Punkte ihn zu einem bewußten und hartnäckigen Verleugner der festgelegten Doktrin der Kirche? Dem Anschein nach lautet die Antwort nein, meint Pater Gleize, aber in der Praxis sehr wohl:

Dem Anschein nach nein, weil Papst Franziskus in keinem der fünf Punkte der Doktrin der Kirche direkt widerspricht, sondern sich zweideutig oder gar nicht zu ihr äußert. Der erste der fünf Punkte ist ein Beispiel von Zweideutigkeit: Der Papst sagt nicht „Geschiedene können die Kommunion empfangen,“ sondern „In gewissen Fällen können Geschiedene die Kommunion empfangen.“ Hier hängt alles davon ab, ob man „in gewissen Fällen“ strikt oder großzügig interpretiert. Die Formulierung ist zweideutig, und diese Zweideutigkeit ist dazu angetan, das Kirchenrecht zu untergraben, weil es viele Geschiedene gibt und allzu viele Priester und Prälaten, die gerne bereit sein werden, sich für die großzügige Interpretation zu entscheiden.

In allen vier weiteren Fällen untergräbt der Papst die katholische Doktrin nicht durch Verleugnung, sondern durch Auslassung. Beispielsweise sagt er (bezüglich des vierten Punktes) nicht: „So etwas wie eine objektiv sündhafte Tat gibt es nicht,“ weil die Kirche stets eine Reihe objektiv sündhafter Taten beim Namen genannt hat, angefangen bei Gottes Zehn Geboten. Stattdessen sagt der Papst: „Objektive Sündhaftigkeit bedeutet nicht notwendigerweise subjektive Schuld.“ Nun hat die Kirche natürlich nie bestritten, daß es Umstände geben kann, unter denen diese oder jene Missetat nicht sündhaft ist, aber die subjektive Entschuldigung in den Vordergrund zu stellen, bedeutet die objektive Sünde der Missetat in den Hintergrund zu stellen. Die Sünder werden sich darüber freuen! Im Gegenteil hat die katholische Kirche die objektive Natur und die moralische Richtigkeit oder Falschheit von Taten freilich stets über die subjektive Schuld dieses oder jenes Menschen gestellt, der die Tat begeht. „Die Ausnahme bestätigt die Regel,“ lautet ein Sprichwort, und für den Juristen gilt: „Extremfälle taugen nicht als Präzedenzfälle.“ Doch der Subjektivismus von Papst Franziskus untergräbt das Kirchenrecht (und den gesunden Menschenverstand) mit Extremfällen, auch wenn er es vermeidet, dem Kirchenrecht direkt zu widersprechen. Pater Gleize gelangt zum Schluß, daß die fünf Zweifel der vier Kardinäle voll und ganz gerechtfertigt sind.

Allerdings zieht sich der Papst aus der Affäre, indem er es vermeidet, dogmatische oder antidogmatische Aussagen zu machen. Er selbst schreibt in AL, sein Ziel bestehe darin, „von den beiden Synoden Anregungen über die Familie zu erhalten, zusammen mit weiteren Überlegungen, die angetan sind, Gedenken oder einen Dialog über die pastorale Praxis anzuregen.“ Dies ist zugestandenermaßen kein dogmatisches Ziel. Deshalb ist es schwierig, Papst Franziskus die Etikette „formeller Häretiker“ anzuheften. Doch genauso wie Vatikan II beteuerte, lediglich ein „pastorales,“ d. h. nicht doktrinäres Konzil zu sein, und der katholischen Lehre sowie der Kirche dennoch einen fürchterlichen Schlag versetzte, versetzt auch Papst Franziskus, wenn er in Amoris Laetitia behauptet, er lehre hier keine Doktrin, der katholischen Moral und der Familie einen furchtbaren Schlag. Es ist dies die klassische kommunistische oder neomodernistische Subversionstaktik, bei der die Wahrheit durch Praktizismus unterminiert wird, zwar nicht im Prinzip, wohl aber in der Praxis. Man vergleiche hierzu Roms Aufforderung gegenüber Bischof Fellay: „Erreichen Sie zuerst praktische Anerkennung, über die Doktrin können wir uns dann später unterhalten,“ sowie Bischof Fellays Beteueru ng gegenüber der Piusbruderschaft: „Wir ändern die Doktrin nicht,“ während er selbst kaum noch einen Hauch von Kritik daran übt, daß Papst Franziskus die Kirche zerstört. Hätte Erzbischof Lefebvre in dieser Lage geschwiegen? Die Frage stellen heißt sie beantworten.

Pater Gleize folgert, daß Papst Franziskus kein „formeller Häretiker“ sein mag, jedoch sicherlich „Häresie begünstigt“. „Formelle Häresie“ wäre unter normalen Umständen die schlimmere der beiden Sünden, doch nicht so kurz vor dem Ende des fünften Zeitalters der Kirche, wo die Heuchelei der Feinde der Kirche schlimmer ist denn je zuvor. Der Himmel helfe uns mehr denn je! Betet den Rosenkranz der fünfzehn Geheimnisse jeden Tag!

 

Kyrie eleison.

 

(9. Juni 2017)

 

 

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