Freitag, 8. Februar 2013
Kirche in Bayern

Bischöfliches Rückzugsgefecht bei Konkordatslehrstühlen

Gemäß Erklärung der Freisinger Bischofskonferenz von Ende Jänner 2013 wollen die Bischöfe auf ihr Mitwirkungsrecht bei der Besetzung der Konkordatslehrstühle verzichten – aus Konfliktangst

Wörtlich heißt es in der von der Pressestelle des Erzbischöflichen Ordinariats München veröffentlichten „Erklärung der Freisinger Bischofskonferenz – Frühjahrsvollversammlung der bayerischen Bischöfe in Waldsassen am 30. und 31. Januar 2013“ unter Punkt 4. Konkordatslehrstühle:

„Bei ihren Beratungen hat sich die Freisinger Bischofskonferenz mit der Frage des Rechts zur Mitwirkung an der Besetzung der außerhalb der Katholisch-Theologischen Fakultäten bestehenden Konkordatslehrstühle auseinandergesetzt und beschlossen, auf die Ausübung dieses Rechts aus dem Bayerischen Konkordat verzichten zu wollen. Diesbezüglich wird das Katholische Büro Bayern beauftragt, die erforderlichen Kontakte zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern herzustellen.“

Unverständliche Entscheidung: Bayerns Bischöfe wollen auf Sicherstellung der Theologenausbildung verzichten

Auflösung der Konfessionsschulen

1968 erhielten die Bischöfe, als in Bayern die Konfessionsschulen aufgelöst wurden und der Staat die kirchliche Lehrerausbildung in die Universitäten übernahm, als Sicherstellung inhaltlicher Lehrinhalte ein Vetorecht bei der Besetzung universitärer Lehrstühle („Konkordatslehrstühle“), die für die Ausbildung von Religionslehrern von Bedeutung sind.

21 Konkordatslehrstühle

Es sind dies (mit Stand vom 30. September 2009 gemäß Antwort des Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst)

  • Universität Augsburg:
    • Philosophie: Prof. Dr. Christian Schröer
    • Politikwissenschaft: Prof. Dr. Marcus Llanque Kurps
    • Pädagogik: Prof. Dr. Eva Matthes
  • Universität Bamberg:
    • Soziologie I: Prof. Dr. Hans-Peter Blossfeld [Anm.: seit September 2012 am European University Institute in Florenz]
    • Pädagogik: Prof. Dr. Georg Hörmann 
    • Philosophie I: Prof. Dr. Christian Schäfer 
  • Universität Erlangen-Nürnberg
    • Grundschulpädagogik und -didaktik II: Prof. Dr. Sabine Martschinke   
    • Praktische Philosophie  N.N. (Besetzungsverfahren läuft)
    • Politische Wissenschaft II: Prof. Dr. Clemens Kauffmann 
  • Ludwig-Maximilians-Universität München
    • Philosophie I: Prof. Dr. Wilhelm Vossenkuhl  
    • Allgemeine Pädagogik mit Schwerpunkt Erziehungs- und  Sozialisationsforschung: Prof. Dr. Hartmut Ditton
    • Soziologie IV:  Prof. Dr. Norman Braun  
  • Universität Passau
    • Philosophie: Prof. Dr. Michael-Thomas Liske 
    • Politikwissenschaft: Prof. Dr. Heinrich Oberreuter [Anm: mittlerweile emeritus]
    • Allgemeine Pädagogik: Prof. Dr. Guido Pollak 
  • Universität Regensburg
    • Philosophie: Prof. Dr. Rolf Schönberger  
    • Politische Philosophie und Ideengeschichte:  Prof. Dr. Karlfriedrich Herb 
    • Pädagogik III: Prof. Dr. Hans Gruber  
  • Universität Würzburg
    • Philosophie II – Praktische Philosophie:  Prof. Dr. Karl Mertens 
    • Vergleichende Politikwissenschaft und Systemlehre: Prof. Dr. Hans-Joachim Lauth
    • Sonderpädagogik IV – Pädagogik bei geistiger Behinderung: Prof. Dr. Erhard Fischer

Im Wissen um das Vetorecht der Kirche wählen die Universitäten im Regelfall Personen zur Berufung auf die Lehrstühle aus, bei denen ein Widerspruch der Kirche nicht zu erwarten ist. Dementsprechend selten wurde auch ein Veto eingebracht.

Die Sicherstellung von qualitativ und inhaltlich akzeptierbaren Positionen in diesen linksdominierten Fachgebieten ist für die Ausbildung von Theologen wesentlich.

Mit dem formellen Wegfall des Widerspruchsrechts wird sich das – wie es die sich verstärkende antikatholische Grundstimmung in Deutschland nahelegt – grundlegend ändern. Das wissen auch die Bischöfe.

Feige Reaktion der Bischöfe – Bequemlichkeitskatholizismus

Es ist wie immer: Linke und linksextreme machen Druck gegen Positionen der Katholischen Kirche und deren Ortsvertreter gehen den Weg der Bequemlichkeit. So auch in diesem Fall.

Der Bischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, erklärt die Positionsänderung der Bischöfe damit, es hätten sich die „geschichtlichen Rahmenbedingungen“ geändert.

Tatsächliche Ursache dürfte – neben der Anpassungsfreudigkeit der bayerischen Bischöfe an den Zeitgeist – aber sein, daß sich das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit zwei Klagen gegen die Besetzung von Konkordatslehrstühlen befaßt.

Antikatholische Stimmungsmache

Diese gehörten „zu den anachronistischen wie anstößigen Privilegien der [K]atholischen Kirche, da sie nur mit der Zustimmung des zuständigen katholischen Bischofs besetzt werden können“, will die Linke wissen.

Klage gegen Berufungsverfahren

Bereits 2008 hatten sieben Nichtkatholiken: Prof. Dr. Ulla Wessels (Saarbrücken, Mitglied der Giordano-Bruno-Stiftung), Prof. Dr. Christoph Fehige (Konstanz), Prof. Dr. Franz Josef Wetz (Gießen, Mitglied der Giordano-Bruno-Stiftung), PD Dr. Alexander von Pechmann (München), PD Dr. Thomas Mohrs (Passau), Dr. Michael Schmidt-Salomon (Butzweiler, Mitglied der Giordano-Bruno-Stiftung) und Dr. Edgar Dahl (Wettenberg); alle vertreten durch RA Bettina Weber (München) – eine einstweilige Verfügung gegen das Berufungsverfahren beantragt.

Tatsächlich hatte sich nur Frau Dr. Ulla Wessels um den Lehrstuhl beworben.

Die Klage wurde vom „Bund für Geistesfreiheit“ (bfg), vom „Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten“ (IBKA), von der „GEW Bayern“ (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft), der „Humanistischen Union“ (HU) und der „Giordano-Bruno-Stiftung“ (gbs) unterstützt.

Die linkslinke Ulrike Gote, Bündnis 90/Die Grünen, hatte nachfolgend (am 25. Juni 2009) eine Anfrage bezüglich der Konkordatslehrstühle an die Bayerische Staatsregierung gestellt, aus deren Beantwortung die obgenannte Liste der betroffenen Lehrstühle stammt.

In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen. Von der 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Ansbach wurde die Wiederbesetzung des Konkordatslehrstuhls gestoppt.

Im Dezember 2011 wurde der Lehrstuhl erneut zur Besetzung mit dem Hinweis auf das Konkordat ausgeschrieben, gegen das Dr. Oliver Hallich im Februar 2012 Klage eingebracht hat. Nach schlußendlicher Ablehnung durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Dezember 2012 liegt nun auch in diesem Fall eine Verfassungsbeschwerde vor, die nun von RA Rainer Roth gemeinsam mit der ersten von Frau Dr. Wessels betrieben wird.

Verfassungsbeschwerde am 11. Jänner 2013 – Erklärung der Bayerischen Bischöfe vom 31. Jänner 2013

RA Roth hat am 11. Jänner 2013 eine Verfassungsbeschwerde eingereicht und eine gemeinsame Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe beantragt.

Knapp drei Wochen später beschließen die Bischöfe wegen nicht näher erklärter Änderung der „geschichtlichen Rahmenbedingungen“ (so Kardinal Marx) auf ihr Vetorecht verzichten zu wollen. Katholiken hätten sich erwartet, daß die Vertreter der Kirche standhaft bleiben.

Konkordatslehrstühle sind nur der erste Schritt

Die aufklärerische Giordano-Bruno-Stiftung begrüßt die Feigheit der Bischöfe, weil „nach 90 Jahren ein Ende dieser speziellen katholischen Unterwanderung der Philosophie, Pädagogik, Politik, Geschichte und Soziologie absehbar“ sei.

Die [antiklerikale] Humanistische Union, „die gemeinsam mit anderen Verbänden Musterklagen gegen diesen Anachronismus unterstützt, begrüßt diese Entscheidung und fordert die bayerische Staatsregierung auf, nun auch die weiteren Privilegien aus dem Konkordatsvertrag zu streichen.“

Kardinal Reinhard Marx sei an den Titel seines Buches über Emmanuel von Ketteler erinnert: „Christ sein, heißt politisch sein“.

Konkordat von 1924 – Entscheidung in Rom

Das Konkordat vom 29. März 1924 idgF, auf das das Einspruchsrecht gründet, wurde vom Heiligen Stuhl und vom Freistaat Bayern als völkerrechtlicher Vertrag geschlossen. Daher obliegt es – Gott sei Dank – nicht den Bischöfen in Bayern, ob es zum Verzicht auf die Mitwirkung kommt oder nicht, sondern Rom.

„Nec laudibus nec timore!“

Seliger Clemens August Kardinal von Galen, Wahlspruch

Es gelten die traditionellen katholischen Begriffsdefinitionen.

 
© kreuz-net.info, EMail: redaktion@kreuz-net.info, Impressum