Donnerstag, 7. Februar 2013
Gegenreformation

„… ein Land voller Soldaten und Häretiker!“

Vierter und fünfter Band der Grazer Nuntiaturberichte aus der Zeit der segensreichen Gegenreformation im Priesterseminar in Graz/Österreich vorgestellt.

Graz, Karmeliterplatz 1, 1606 vom Probst des Stiftes Stainz erbaut, bis 1621 Sitz der Nuntiatur [Photo: kreuz-net/GSvA]

(kreuz-net) Im Zuge der zweiten habsburgischen Erbteilung erhielt Erzherzog Karl II., der jüngere Sohn von Kaiser Ferdinand I., 1564 die Herzogtümer Steier(mark), Kärnten und Krain.

Wegen der Verluderung der Religionssitten im Zuge des sich ausbreitenden Luthertums rief Erzherzog Karl II. 1571 die Jesuiten (das „Fähnlein Jesu“) in die Residenzstadt Graz und gründete 1573 ein Jesuitenkolleg, aus dem 1585 die Universität hervorging. Die Jesuiten waren damals, im Gegensatz zu heute, für ihre Rom- und Glaubenstreue bekannt und wesentlicher Träger der Gegenreformation.

Präsentation durch Bischof Kapellari

Die Präsentation der beiden Bände der Nuntiaturberichte für die Jahre 1595–1598 und 1599–1602 durch die Diözese Graz-Seckau (zusammen mit drei wissenschaftlichen Institutionen) fand am 31. Jänner 2013 passenderweise im Barocksaal dieses Gebäudes statt.

Die musikalische Begleitung erfolgte durch die „Capella Ferdinandea“ mit zeitgenössischen Werken von Jacobus Gallus (recte: Jacob Handl), Heinrich Schütz und Claudio Monteverdi.

Nuntiatur in Graz

1580 wird in Graz die Nuntiatur zur Unterstützung der Wiedergewinnung der Glaubenseinheit von Papst Gregor XIII. begründet, die zuerst im Dominikanerkloster, später in einem eigenen Gebäude am Karmeliterplatz untergebracht ist.

Von hier aus wird Rom nicht nur über den Fortschritt der (vor allem unter Erzherzog Ferdinand III. von Innerösterreich, dem Nachfolger von Erzherzog Karl II., stark begünstigten) gegenreformatorischen Maßnahmen informiert, sondern auch über die allgemeinen politischen Vorkommnisse.

Die Nuntiatur bestand bis 1621.

„Ketzerhammer“ und „Apostel der Steiermark“

Die Einsetzung von Hw. Martin Brenner 1584 als Fürstbischof von Seckau war wesentlich für den Erfolg der Rekatholisierung des Landes. Er leitete die Religions-Reformationskommission und führte konsequent und mit zieladäquaten Maßnahmen die segensreiche Gegenreformation im landesfürstlichen Auftrag durch, die dem Land Glaubenskriege wie im Heiligen Römischen Reich ersparte, was ihm von Katholischer Seite die Ehrentitel „Ketzerhammer“ und „Apostel der Steiermark“ als Zeichen der Wertschätzung einbrachte.

Bischof Dr. Egon Kapellari hat in seiner Rede anläßlich der Präsentation der beiden Bände der Nuntiaturberichte darauf hingewiesen, daß „jene Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens durchgesetzt wurden, die von den protestantischen Fürsten zu Lasten der Katholiken schon viel früher in Deutschland durchgesetzt waren“.

Kulturkampf des 19. Jahrhunderts in Preußen

Der Beginn der Arbeiten zu den Berichten der Grazer Nuntiatur im 19. Jahrhundert stand im Zeichen des Konflikts der Publikationsrechte zwischen österreichischen und preußischen Historikern. 1888 begannen die Preußen die Arbeiten im Rahmen der „Historischen Station“ (heute: Deutsches Historisches Institut in Rom). 

Im Kulturkampf meinte man in Preußen, die Fülle der Akten „wird uns Evangelischen auch die besten Waffen gegen Deutschlands erbittertsten Feind in die Hand geben, indem wir seine seit Jahrhunderten geübte Kampfweise aus dem Quellen kennenlernen“ werden – so Konrad Schottmüller, erster Leiter der „Historischen Station“. Die Hoffnung wurde nicht erfüllt.

Österreichisches Kulturinstitut in Rom

Die Aufarbeitung der ersten vier Bände der Nuntiaturberichte ist vor allem Univ.-Prof. Dr. Johann Rainer zu verdanken, der als Sekretär des Österreichischen Kulturinstituts in Rom, später als Historiker an der Universität Innsbruck tätig war.

1958 erschien eine erste Übersicht über seine Entdeckungen in zehn Archiven und Bibliotheken, zwischen 1973 und 2013 die ersten vier Bände der Nuntiaturberichte. Die Bearbeitung der Berichte des fünften Bandes lag in den Händen von Frau Mag. Elisabeth Zingerle, einer Süd-Tirolerin.

Die Berichte beschreiben nicht nur die Situation in Glaubensangelegenheiten, sondern liefern aufgrund der engen persönlichen Kontakte von Nuntius Girolamo Portia zu Erzherzog Ferdinand III. (später Kaiser Ferdinand II.) auch für Rom wertvolle Informationen zur europäischen Politik. Die Nuntiatur in Graz war wegen dieser Vertrauensstellung oftmals besser informiert als die in Prag am Kaiserhof.

Ebenso enthalten die Bände die Anweisungen von Rom an die Nuntiatur.

Tätigkeit der Nuntiatur

Neben den Maßnahmen der Gegenreform (inklusive Bekämpfung des Protestantismus) war die Koordinierung der Abwehr der Irrgläubigen im Rahmen der Türkenkriege ab 1593 die Hauptaufgabengebiete der Nuntiatur.

  • Die „Reform des Welt- und Ordensklerus unter Abstellung aller Mißstände wie etwa Konkubinat und Klausurübertretung,
  • Abhaltung von Visitationen, Kontrolle und Unterstützung der bischöflichen Tätigkeit,
  • Förderung des Priesternachwuchses,
  • Katholisierung der Berater des Fürstenhofes und des Hofstaates, Katholisierung der Universitäten und der Städte allgemein,
  • weiters die Zusammenarbeit mit den Jesuiten,
  • Gründung von katholischen Druckereien und
  • Kontrolle des Buchmarkts …
  • darüberhinaus Conversionen beim Adel, aber auch beim einfachen Volk –

[waren] ein großes Thema, gerade der Grazer Nuntiatur …“, so Univ.-Prof. Dr. Alexander Koller, der den Inhalt des vierten Bandes vorstellte. Graz war „das Laboratorium für das kirchliche Reformprogramm, das später in Böhmen greifen wird“.

Die Berichte sind „eine einzigartige Quellensammlung zur politischen und kirchlichen Entwicklung im Europa der frühen Neuzeit und geben gleichzeitig Aufschluß über die Politik des Papsttums und die Organisation des Päpstlichen Gesandtschaftswesens“, so Alexander Koller weiter.

Beschrieben werden Ereignisse nicht nur Innerösterreichs, sondern des gesamten süddeutschen Raums, des Gebietes bis an die Adria und nach Kroatien, auch die Schweiz und das heutige Slowenien umfassend.

Ebenso wurde von dynastischen Vorkommnissen sowie vom Konflikt der Uskoken, einem „wild gewordenen Albanerstamm“, mit Venedig berichtet.

Ein Land voller Häretiker

Der Bericht des Grazer Nuntius Girolamo Portia vom 3. April 1599 an den Päpstlichen Staatssekretär Kardinal Pietro Aldobrandini mit der Feststellung „questi paesi pieni di soldati e eretici" („Diese Länder voller Soldaten und Häretiker“) gilt wohl heute noch, vielleicht mit der Einschränkung, daß die Zahl der Soldaten vernachlässigbar geworden ist.

Hinweis

Die Grazer Nuntiatur, 4. Band, Nuntiatur des Girolamo Portia 1595–1598, hrsg. von Johann Rainer, Publikationen des Historischen Instituts beim Österreichischen Kulturinstitut in Rom, 505 Seiten, broschiert, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 2012, ISBN 978-3-7001-7139-3

Die Grazer Nuntiatur, 5. Band, Nuntiatur des Girolamo Portia 1599–1602, hrsg. von Elisabeth Zingerle, Publikationen des Historischen Instituts beim Österreichischen Kulturinstitut in Rom, 883 Seiten, broschiert, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 2012, ISBN 978-3-7001-7146-1

„Nec laudibus nec timore!“

Seliger Clemens August Kardinal von Galen, Wahlspruch

Es gelten die traditionellen katholischen Begriffsdefinitionen.

 
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