Mittwoch, 6. Februar 2013
Buchempfehlung

„Das Zweite Vatikanische Konzil - Eine bislang ungeschriebene Geschichte“

Vor 50 Jahren, am 11. Oktober 1962, wurde zu Rom in der Basilika von Sankt Peter das Zweite Vatikanische Konzil eröffnet. Auch hierzulande erklingt anläßlich des Jubiläums üppiges Lob in verdächtiger Tonlage; das Konzil wird wieder als „das Konzil“ schlechthin gepriesen, jenes einzige, hinter welches es kein Zurück“ gäbe.

Roberto de Mattei:
Das Zweite Vatikanische Konzil — Eine bislang ungeschriebene Geschichte, Edition Kirchliche Umschau, 867 Seiten, kart., ISBN 978-3-932691-98-0, Lindau/Truin 2010 — Stuttgart/Bobingen 2012, 34,90 Euro

Heutzutage sind ja kirchenintern ständig umfassende Abwertungen der eigenen Kirchlichen Vergangenheit zu hören; nichts wird ausgenommen von solch härtester Kritik aus den Reihen des Klerus selbst, außer die Anfangszeit, das sogenannte „Urchristentum“, über das gerne und in kühnen Unterstellungen schwadroniert und fabuliert wird, das „Urchristentum“, von welchem man „nur“ den „Wunderglauben“ abzuziehen habe, und das Zweite Vaticanum, welches alleine auch noch Bestand hat vor dem Urteil des Progressivklerus unserer Gegenwart.

Alles dazwischen Liegende aber wird mit Verachtung und Spott überhäuft. Und mit solch verdächtigen Lobsprüchen verknüpfen sich sinistre Zielsetzungen nach noch „radikalerer Reform“: wenn etwa so getan wird, als ob die katastrophalen liturgischen Verirrungen nach dem Vaticanum ein Weg wären, den man „mutig“ weiter zu beschreiten hätte, oder als ob eine oft fehlgegangene und mißverstandene „Ökumene“ nicht viel mehr Fragwürdiges als Gutes hervorgebracht hätte (Paradebeispiel die völlig verunglückte „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ von 1999, die weithin als Übernahme unhaltbarer protestantischer Positionen durch die Kirche interpretiert wird).

Innerkirchliche Opposition zum II. Vaticanum

Wie schwierig die Rezeption des Zweiten Vaticanums bis heute geblieben ist, illustrieren die Bemühungen Papst Benedikts XVI. um den Dialog mit der traditionsorientierten Priesterbruderschaft Sankt Pius X., die in innerkirchlicher Opposition zu diesem Konzil beziehungsweise zu gewissen Folgeerscheinungen steht. Wobei selbst ihr Begründer, der heiligmäßige und unbeugsame Bekennerbischof Lefebvre, eine akzeptable Deutung des Konzils „im Lichte der Tradition“ für möglich hielt.

Eben solch eine Interpretation des Konzils in Übereinstimmung mit der Kirchlichen Tradition ist seit Papst Johannes-Paul II. und verstärkt unter seinem Nachfolger ein zentrales Anliegen Roms.

Und genau jene Akkordanz mit der Tradition ist den seit dem Konzil im Inneren der Kirche fest etablierten modernistischen Seilschaften ein unbedingt zu verhinderndes Greuel. Von modernistischer Seite her wird daher auch der für die Zukunft der Katholischen Welt überaus wichtige Dialog des Papstes mit dem innerkirchlichen Traditionalismus gestört.

Sehr erfolgreich gestört, wie man einem an die Konservativen gerichteten scheinbar gewollt unsinnigen Ultimatum entnehmen kann. Dieses, angeblich von Kirchlichen Zentralstellen ausgehend und mit törichten Grobheiten gewürzt, wurde medial stark verbreitet und fordert, alle hätten nunmehr „das Konzil vorbehaltlos anzunehmen“. Was so lange natürlich nicht der Fall sein wird, als allzuviel Widersprüchliches ungeklärt bleibt. Ganz abgesehen davon, daß man im „geschwisterlichen Dialog“ (mit Protestanten, Atheisten, Liberalen etwa) ja auch sonst keine Ultimaten stellt.

Kampf um die rechte Interpretation des Konzils

Warum all diese Fragen so schwierig sind und warum der Kampf um die rechte Interpretation dieses Konzils so viel politisch-weltanschaulichen Sprengstoff in sich birgt, erläutert vorliegendes Werk in ganz ausgezeichneter Weise. Papst Johannes XXIII., der maßgeblich aus eigenem Antrieb das Konzil einberufen hatte, verband damit die Hoffnung auf ein „neues Pfingsten“.

„1789 der Kirche“: Revolution in der Kirche

Andere Kirchenfürsten warnten — und wurden als „Propheten des Untergangs“ verspottet, obwohl viele ihrer klarsichtigen Befürchtungen dann prompt eingetroffen sind. Und wiederum andere Kirchenfürsten sahen im Konzil die „Überwindung der Konstantinischen Ära, des Mittelalters, der Gegenreformation“, einen willkommenen Bruch mit der Vergangenheit der Kirche also, einen wunderbaren „Aufbruch“, ja sogar ein „1789 der Kirche“ — die revolution also.

Man kann auch eine nüchternere Sichtung der Sachlage durchführen: Das Zweite Vaticanum ist eines von 21 ökumenischen Konzilien der bisherigen Kirchengeschichte, also den feierlichen Versammlungen der Bischöfe aus aller Welt unter der Leitung des Papstes oder seines Repräsentanten, mit und unter ihm das Lehramt der Kirche ausübend. Dementsprechend hochrangig ist das Zweite Vaticanum einzustufen, nämlich eben als eines nach vorangegangenen anderen zwanzig großen ökumenischen Konzilien — die neben ihm stehen und mit ihm gültig sind.

Nachkonziliarer Niedergang der Kirche

Die traditionstreuen Kräfte in der Kirche haben schon lange und in Betrachtung des nachkonziliaren Niederganges der Kirche die Einsicht gewonnen, daß, wenn das Zweite Vaticanum tatsächlich das „1789 der Kirche“ gewesen wäre, tatsächlich der ultimative Bruch mit der Tradition der Christenheit, tatsächlich die vollzogene revolutionäre Anpassung an die „Moderne“, daß dann dieses Konzil klar abzulehnen, zu verurteilen, zu überwinden wäre, und daß dann alle Päpste, die ihm anhängen, den wahren Glauben verraten hätten. Wenn eben.

Papst Benedikt XVI. stellt freilich genau jenen historischen Bruch immer wieder deutlichst in Abrede. Eine andere These deutet darauf, daß von jenen, die schon damals heimlich die Feinde des Glaubens in der Kirche gewesen sind, das Konzil absichtsvoll falsch interpretiert worden ist; daß jene Anpaßler und Opportunisten, jene korrumpierten und unwürdigen Kirchenfürsten und machthörigen und mainstreamausgerichteten linken Prälaten, jene, die Gott verkaufen um der eigenen Karriere und der eigenen Lüste willen, daß eben jene die Gutgläubigkeit von Papst Johannes XXIII. und das schwache Pontifikat Papst Pauls VI. ausgenützt haben, und daß seither diese falsche Interpretation des Konzils und diese Schwäche des Papsttums die Grundlage und Legitimation für ihr unheilvolles, die Kirche zerstörendes Tun geworden ist.

Zahlreiche Verfallserscheinungen der Kirche der letzten 50 Jahre deuten auf das Zutreffen jedenfalls dieser These.

„Geist des Konzils“ — Antithese zur Tradition

Es wird klar, warum derzeit so schwer um die wahre Interpretation des Konzils gerungen wird und warum gewisse Auslegungen seiner Texte, häufig also auch der vielfach von progressiver Seite beschworene „Geist des Konzils“, als im Widerspruch zur Tradition stehend zu verwerfen sind.

Die vorliegende Konzilsgeschichte nimmt nun nicht für sich in Anspruch, eine ultimativ umfassende historische Aufarbeitung zu sein; dennoch wird man sie als standardsetzendes Werk zu bezeichnen haben, das, gut geschrieben und gut übersetzt, zahlreiche Hintergründe und verdeckte Abläufe erhellt, das mit klaren Belegen aufwartet, das auch die bis heute verhängnisvoll nachwirkenden Unklarheiten und Widersprüchlichkeiten aufzeigt, die seit dem Konzil die Kirche schwächen und die Gläubigen verwirren.

Vielleicht wird „die Zukunft noch die guten Früchte des Konzils aufzeigen“, wie Papst Johannes Paul II. dies gemeint hat; wir hoffen es und wollen uns hier auch zu einer Annahme und Interpretation des Konzils in Übereinstimmung mit der Tradition bekennen.

Entwicklungen im Widerspruch zu den Erwartungen

Dennoch gilt auch, was Papst Benedikt XVI. geschrieben hat: „Die Entwicklungen seit dem Konzil scheinen in eklatantem Widerspruch zu den Erwartungen aller, angefangen von Johannes XXIII. und Paul VI. zu stehen. Die Christen sind von neuem eine Minderheit, mehr als sie es seit der ausgehenden Antike je gewesen sind ... Was die Päpste und die Konzilsväter erwarteten, war eine neue Katholische Einheit; statt dessen ist man auf eine Uneinigkeit zugesteuert, die, um die Worte von Paul VI. zu gebrauchen, von der Selbstkritik zur Selbstzerstörung überzugehen scheint. Man hat sich eine neue Begeisterung erhofft, und man landete dagegen zu oft im Überdruß und in der Entmutigung. Man hatte sich einen Schritt nach vorne erwartet, und man fand sich einem fortschreitenden Prozeß des Verfalls gegenüber, der sich weitgehend im Zeichen der Berufung auf einen angeblichen Geist des Konzils abgespielt und dieses damit immer mehr diskreditiert hat ... Julius Kardinal Döpfner sagte, daß die Kirche der Nachkonzilszeit eine große Baustelle sei. Ein kritischer Kopf aber hat hinzugefügt, es sei eine Baustelle, auf der der Plan verlorengegangen ist...“.

Der Plan der Kirche ist übrigens leicht aufzufinden, freilich für jene nicht mehr verständlich, die der Tradition abgeschworen haben. Die Rückkehr zur Tradition ist der Schlüssel zur Wiedererstarkung der Kirche; zur ordentlichen Fertigstellung des vor 50 Jahren begonnenen und in theoretischer Möglichkeit auch beeindruckenden Bauwerkes, was freilich nur mit massiven Korrekturen und durch Wegschaffen enormer Mengen von modernistischem Müll und Schutt möglich sein wird.

Dieses Buch zum Konzil sollte hierbei als Wegweiser in die richtige Richtung verstanden werden, auch wenn die Darstellung der unschönen Seiten des damaligen Geschehens überwiegt — was freilich auch notwendig und überfällig ist, gerade wenn man um eine plausible Interpretation dieses Zweiten Vatikanischen Konzils bemüht ist — die Wahrheit macht uns frei (Johannes 8,32).

Der Autor übrigens ist angesehener Professor für Kirchengeschichte in Rom und, selbstverständlich, Papsttreuer Katholik.

„Nec laudibus nec timore!“

Seliger Clemens August Kardinal von Galen, Wahlspruch

Es gelten die traditionellen katholischen Begriffsdefinitionen.

 
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