Samstag, 30. Mai 2015
Eleison Kommentare CDXI (411)

Eliot-Wochenende

Bischof Williamsons Eleison Kommentare,
Nummer CDXI (411)

Liebe Katholiken, seid nicht zu eng. Unser Herr selber sagte,
Daß er Schäfchen auch außerhalb seiner Herde hat.

 

Das Anfang Mai hier in Broadstairs abgehaltene Wochenend-Seminar über Gedichte und Theaterstücke des bekannten modernen Dichters Thomas S. Eliot (1888—1965) war ein großer Erfolg. Weil Eliot darauf bestand, aus der sinnlosen modernen Welt einen Sinn zu ziehen, gehört er nicht gerade zu den leicht verstehbaren Schriftstellern, doch gelang Dr. David White es, in sechs Vorträgen (36 Stunden) bei seinen über zwei Dutzend katholischen Zuhörern ein echtes Interesse an Eliot zu wecken. Als Schwerpunkt des Seminars wurde Eliot gewählt, weil er einen Teil seines berühmtesten Versepos Das wüste Land (The Wasteland) im naheliegenden Margate schrieb. Ein Höhepunkt des Seminars war ein Ausflug zu der Gartenlaube an der Küste, worin Eliot tatsächlich diesen Teil schrieb, und wo dann Dr. White für die Seminarteilnehmer Das wüste Land vorlas: vor dem grauen Meer und unter grauem Himmel, also in einer dazu passenden Atmosphäre.

Viele katholische Christen verschmähen Schriftsteller, welche nicht offen katholisch waren, so berühmt sie auch gewesen sein mögen. Doch in der Mitte der 1920er-Jahre, kurz nach dem Verfassen von Das wüste Land, wurde Eliot um ein Haar Katholik. Von dort an bis zu seinem Tode kreisten alle Lösungen, welche er in seinen Schriften für die Probleme der modernen Welt vorstellte, stets um unseren Herrn Jesus Christus. Dies mag vielleicht noch nicht auf den ersten Blick deutlich sein, weil Eliot entweder für lauwarme Christen schrieb oder noch selber mit der Moderne rang. Doch möge sein echter Glaube an Christus veranschaulicht werden durch ein Gedicht aus seinem Werk Vier Quartette (Four Quartets), welches Dr. White zur Erläuterung herausgriff, den Abschnitt IV. des vierten Quartettes namens „Little Gidding“:?—

1 Die herabstoßende Taube durchdringt die Luft
2 Mit schreckenerregender weißglühender Flamme
3 Von welcher die Zungen verkünden
4 Die eine Entladung von Sünde und Fehl.
5 Die einzige Hoffnung – sonst bleibt nur Verzweiflung –
6 Liegt in der Wahl zwischen Scheiterhaufen und Scheiterhaufen
7 Um vom Feuer durch Feuer erlöst zu werden.

8 Wer nur hat diese Pein sich ausgedacht? Die Liebe.
9 Liebe ist der ungewohnte Name
10 Hinter den Händen die woben
11 Dies unerträgliche Hemd aus Flammen
12 welches keine menschliche Kraft wegschaffen kann.
13 Wir leben, ja schmachten allein
14 Um vom einen oder vom anderen Feuer verzehrt zu werden.

Während des Zweiten Weltkrieges lebte Eliot in London, wo er sich nachts als Luftschutzwart betätigte und ständig in den Straßen Streife lief, um die Gefahr und Zerstörung feindlicher Luftangriffe kleinzuhalten. Die erste der beiden Gedichtstrophen gleicht jenen Plastikplättchen mit zwei Bildern, wo abhängig vom Kippwinkel das eine oder andere Bild sichtbar wird. Die zweit e Strophe beschreibt die außerordentlich große Lektion, welche aus dem Doppelbild lernbar ist.

So versinnbildlicht 1) die „herabstoßende Taube“ einerseits den an Pfingsten herunterkommenden Heiligen Geist, sowie die feindlichen Bomber, welche auf London herunterstiegen. 2) Die „Flammen des Schreckens“ symbolisieren sowohl das Feuer des Heiligen Geistes als auch die Brandbomben des Feindes. 3) Die „Zungen“ sind wiederum diejenigen des Heiligen Geistes auf den Köpfen der Apostel, und die züngelnden Flammen der Feuerbomben, während 4) die „Entladung“ ebenso die Erlösung durch Christus als auch das Loslösen der Bomben durch die Politik der Menschen darstellt. 5) Die erste dieser Entladungen ist unsere einzige Hoffnung, die andere ist jedoch die Hoffnungslosigkeit des Krieges. 6) Auf welchem Begräbnis-Scheiterhaufen wollen wir verbrennen? 7) Das Feuer der Erlösung ist dazu da, uns vor dem Feuer der Verdammnis zu retten.

Zweiter Vers: 8) Gott läßt somi t die Weltkriege zu, um uns vor dem ewigen Feuer zu retten. 9) Der wenig bekannte Name ist der 10) seiner Liebe, welche den Politikern erlaubt, 11) die Pein des Krieges loszutreten, 12) welche einzig und allein durch Christus tilgbar ist. 13) Zusammengefaßt, endet das menschliche Leben nur 14) durch Feuer, entweder durch jenes der göttlichen Liebe oder durch das der ewigen Verdammnis.

Der Dritte Weltkrieg kommt. Wenn er kommt, wie viele katholische Prediger werden zu predigen wagen, daß die göttliche Liebe es ist, welche hinter all diesen furchtbaren Leiden steht, welche nötig sind, um uns wieder auf unseren gottgewollten Pfad zum Himmel zurückzuführen? Der nicht-katholische Eliot sagte dies bereits vor 70 Jahren.

 

Kyrie eleison.

 

(30. Mai 2015)

 

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