Dienstag, 15. Oktober 2013
II. Vaticanisches Konzil

Papst Franziscus und das Konzil

Stellungnahme der Priesterbruderschaft St. Pius X zur Position des Heiligen Vaters, abgeleitet aus dem Interview mit „La Civilta Cattolica". Nachstehend die wortgetreue Wiedergabe des Beitrags der deutschen Internetseite der Priesterbruderschaft:

II. Vaticanisches Konzil [Bild: kreuz-net.info/Archiv]

Der Papst und das Konzil

DICI, die internationale Nachrichtenagentur der Priesterbruderschaft St. Pius X., hat eine Stellungnahme zu dem Interview Papst Franziskus' veröffentlicht, die auf eine Stellungnahme des französischen Distrikt der Priesterbruderschaft St. Pius X. zurückgeht. Diese Stellungnahme nimmt insbesondere Bezug auf die Haltung des Papstes zum II. Vatikanischen Konzil. pius.info veröffentlicht heute die deutsche Übersetzung dieser Stellungnahme.

Das erste bedeutende Interview seines Pontifikats erschienen am 19. September 2013 gewährte Papst Franziskus Fr. Antonio Spadaro, italienischer Jesuit und Herausgeber von La Civilta Cattolica, für etwa 40 Jesuiten - Zeitschriften aus der ganzen Welt. Es wurde in Frankreich von der Zeitschrift Etudes veröffentlicht und dafür von zwei französischen Jesuiten, Fr. François Euvé, dem Herausgeber und Fr. Hervé Nicq, übersetzt. Die deutsche Übersetzung erschien in der Jesuitenzeitschrift „Stimmen der Zeit".

Das Interview wirft Licht auf verschiedene Persönlichkeitsaspekte des Papstes, seine spirituellen und intellektuellen Orientierungspunkte und seine Vorstellung über Kirchenleitung. Auf diese Punkte werden wir in der Zukunft noch eingehen, für den Moment jedoch erscheint es lehrreich, die Position des Papstes zum Zweiten Vatikanischen Konzil und der anschließenden Liturgiereform zu untersuchen.

Zu diesem wichtigen Thema hier die Frage Fr. Spadaros: „Was hat das Zweite Vatikanische Konzil erreicht? Was hat sich getan?" „In Anbetracht seiner vorhergehenden Aussagen rechne ich mit einer langen und aussagekräftigen Antwort." Aber die Erwartungen des italienischen Jesuiten wurden nicht erfüllt: „Stattdessen gewinne ich den Eindruck, dass der Papst das Konzil einfach als ein derart selbstverständlich gegebenes Faktum ansieht, das, um seine Bedeutung hervorzuheben, keiner langen Rede bedarf."

Der Pontifex erwiderte: „Das II. Vatikanum war ein erneutes Lesen des Evangeliums im Licht der zeitgenössischen Kultur. Es hat eine Bewegung der Erneuerung ausgelöst, die aus dem Evangelium selbst hervorgeht. Die Früchte sind enorm. Denken Sie nur an die Liturgie. Die Arbeit der Liturgiereform war ein Dienst am Volk, als ein erneutes Lesen des Evangeliums, das ausgeht von einer konkreten historischen Situation.

Ja, es gibt die Richtungen der Hermeneutik der Kontinuität sowie der Diskontinuität, aber eines ist klar: Das Evangelium im Licht der heutigen Zeit zu lesen - wie es dem Konzil eigen war - ist absolut irreversibel. Dann gibt es da bestimmte Themen, wie die Liturgie nach dem Vetus Ordo. Ich denke, dass die Entscheidung Papst Benedikts klug war und von dem Wunsch getragen, denjenigen zu helfen, die hier eine besondere Sensibilität besitzen. Was jedoch Besorgnis erregt ist das Risiko der Ideologisierung des Vetus Ordo, seine Instrumentalisierung.

Der Papst meint bezüglich des Konzils und der Liturgiereform, dass trotz der „Richtungen der Hermeneutik der Kontinuität sowie der Diskontinuität" auf Basis der Tradition - deren Wesen er nicht erklärt - die „aus einer konkreten historischen Situation heraus" angepasste konziliare Leseweise des Evangeliums „absolut irreversibel" ist. Gegen Ende des Interviews macht der Papst einige nähere Aussagen, die ganz klar den Wunsch erkennen lassen, sich dem heutigen Menschenbild anzugleichen.

P. Sadaro stellt fest, dass „der Mensch sich heute anders interpretiert als früher, anhand von anderen Kategorien. Und dies auch aufgrund von großen Änderungen in der Gesellschaft sowie eines erweiterten Wissens über sich selbst". Der Papst stimmt zu: „Das Verständnis des Menschen ändert sich mit der Zeit und so vertieft sich auch das Gewissen des Menschen. (...) Auch die anderen Wissenschaften und ihre Entwicklung helfen der Kirche bei diesem Wachstum des Verständnisses. Es gibt zweitrangige kirchliche Normen und Vorschriften, die früher einmal aktuell waren, die aber jetzt ihren Wert und ihre Bedeutung verloren haben. Die Sicht der Kirchenlehre als ein zu verteidigender Monolith ohne Nuancen ist ein Irrtum."

Und weiter sagt er: „Der Mensch ändert im Laufe der Zeit die Weise der Eigenwahrnehmung: Eine Sache ist der Mensch, der sich ausdrückt in der Figur der Nike von Samothrake, eine andere Sache der Mensch von Caravaggio, eine andere der von Chagall und noch eine andere Sache der von Dalí. (...) Beim Nachdenken über den Menschen muss die Kirche die Genialität suchen und nicht die Dekadenz." Hier wird die über die Jahrhunderte wechselnde Eigenwahrnehmung des Menschen in den Vordergrund gestellt, ohne dabei die ungeachtet der sich ändernden Auffassungen immer gleich bleibende Natur zu berücksichtigen.

Die Frage ist berechtigt, ob diese Sichtweise nicht eher phänomenologischer als metaphysischer Art ist. Eine historistische und evolutionistische Anschauung, die das unveränderliche Wesen der menschlichen Natur verkennt und nur bewegliche - und sich verändernde - Betrachtungsweisen bestehen lässt. Demzufolge überrascht es nicht, dass Papst Franziskus die Entscheidung seines Vorgängers Benedikt XVI., das Motu Proprio über die Tridentinische Messe zu verkünden, als „kluge" Entscheidung kennzeichnet, das heißt nebensächlich, um einer besonderen „Sensibilität", sprich einer persönlichen Auffassung, Genüge zu leisten.

Er vergisst dabei, dass das Motu Proprio, indem es die traditionelle Messe als nie aufgehoben erklärte, ein seit Jahrzehnten missachtetes Recht wiederherstellte. Zwischen einem objektivem Recht und einer subjektiven Sensibilität besteht ein wesentlicher Unterschied. Man muss sich fragen, ob die Besorgnis des Papstes bezüglich der „Ideologisierung" bzw. „Instrumentalisierung" der traditionellen Messe, fernab jeder „Sensibilität", nicht doch eher der Anerkennung des objektiven Wertes dieser Messe gilt. In der Tat wurde ihr objektiver - und immerwährender - Wert von den Kardinälen Alfredo Ottaviani und Antonio Bacce in ihrer Kurzen kritischen Untersuchung (3. September 1969) erneut bestätigt.

„Betrachtet man die implizierten oder als gegeben angesehenen Neuerungen - die man natürlich unterschiedlich bewerten kann - so vertritt der Novus Ordo insgesamt und in seinen Einzelheiten eine eklatante Abweichung von der katholischen Theologie der Messe, wie sie in der XXII. Sitzung des Konzils von Trient formuliert wurde. Die zu jener Zeit endgültig festgelegten 'Kanons', schafften ein unüberwindliches Hindernis gegen jede Häresie, die sich gegen die Unversehrtheit des Mysteriums richtet."

Darauf könnte man erwidern, „die Sicht der Kirchenlehre als ein zu verteidigender Monolith ohne Nuancen ist ein Irrtum"; dann aber müsste bewiesen werden, dass durch die Liturgiereform (lex orandi) nichts an der Lehre (lex credendi) geändert wurde. Als die Kurzen kritischen Untersuchung auf Französisch erschien, schrieb Alfons Maria Stickler, Bibliothekar der heiligen römisch-katholischen Kirche, am 27. November 2004: „Die Analyse des Novus ordo durch diese beiden Kardinäle hat nichts an Wert eingebüßt, und leider auch nichts an Relevanz ... Heute werden die Ergebnisse der Reform weitgehend als verheerend angesehen. Der besondere Verdienst der Kardinäle liegt darin, dass sie sehr schnell feststellten, dass die Änderung des Ritus auf eine grundlegende Änderung der Lehre hinauslaufen würde.

Übersetzung aus dem Englischen.

„Nec laudibus nec timore!“

Seliger Clemens August Kardinal von Galen, Wahlspruch

Es gelten die traditionellen katholischen Begriffsdefinitionen.

 
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