Montag, 9. September 2013
Unter’m Krummstab

Geweihter Wein – Vom Rebensaft aus geistlichen Rieden

„Qui bon vin boit, Dieu voit.“ – Wer guten Wein trinkt, sieht Gott

Die Etiketten der Weine von Chateauneuf du Pape zeigen oft noch die päpstliche Tiara [Bild: kreuz-net.info/Archiv]

Wein aus geistlicher Quelle

Was den Rebensaft angeht, war Hans Moser eher anspruchslos. Im früheren Leben bekanntlich eine Reblaus, hat er „den Rotn grod so gern als wie den Weißn“. Auch die Liechtentaler, also die Leute aus der Gegend des Franz Schubert, „trinken gern an echten Wein. Aber g’rebelt muaß er sein.“ Selbst dann, wenn er ein Sauerampfer ist.

So bescheiden sind nicht alle. Kenner schauen auf die Qualität, deswegen erfreut sich Wein aus geistlicher Quelle großer Beliebtheit.

Naturbelassener Wein

Dahinter mag, neben dem mystischen Momentum, der durchaus rationale Gedanke stehen, die Erzeugnisse aus dem Schoße der Mutter Kirche seien naturbelassen.

Erstens, weil die frommen Herren selbst gerne einen unverfälschten Tropfen zu sich nehmen.

Zweitens, weil man der Geistlichkeit die manch‘ weltlichem Weinproduzenten nachgesagten Methoden (Glykol!) nicht zutraut.

Drittens, obwohl im Zeitalter der Beliebigkeit kaum mehr von Bedeutung, ist die Reinheit des Weins im Kirchenrecht vorgeschrieben.

Der Codex aus 1983 normiert im Canon 924 unter § 3: Vinum debet esse naturale de genimine vitis et non corruptum. Auf Deutsch: Der Wein muß naturrein und aus Weintrauben gewonnen sein und darf nicht verdorben sein.

Qui bon vin boit, Dieu voit. Wer guten Wein trinkt, sieht Gott. Das wußten schon im Mittelalter die aus dem Burgund zu uns gestoßenen Ordensbrüder. Tatsächlich ist der Meßwein der Zisterzienser aus Gobelsburg oder der von den Benediktinern des Stiftes Göttweig etwas Feines: leicht, trocken, frische Säure. Und beide natürlich von der österreichischen Haussorte Grüner Veltliner.

Hw. Pierre Pérignon

Man braucht seine Obsession nicht so weit treiben wie weiland der Mönch Pierre Pérignon, der die Erzeugung des Schaumweins durch die méthode champenoise enorm verbessert. Der qualitative Quantensprung führt zu einem Ergebnis, das schlicht auf den Namen le champagne hört. Noch in unseren Tagen heißt das Spitzenprodukt der Kellerei Moët & Chandon zu Ehren des eifrigen Bruders Dom Pérignon. Der gute Ruf verbreitet sich bis in die Wiener Hofburg. Zu Kaisers Zeiten ist diese Kellerei nicht nur k.u.k. Hoflieferant, sondern spielt als Kammerlieferant in der Oberliga.

Nicht nur bei uns Christen gibt es den geweihten Rebensaft, sondern auch bei den Juden. Letztere trinken ja, und das schon seit urdenklichen Zeiten, am Beginn des Pessachfestes pro Kopf vier Gläser koscheren Weins. Also einen solchen, der dem Reinheitsgebot gemäß israelitischem Kult entspricht. Dazu gehört, daß die Weinrebe zumindest vier Jahre alt ist und zwischen den Rebstöcken nichts angebaut wird. Da hätten zumindest die altehrwürdigen Ödenburger Ponzichter – wie man weiß, pflanzen die seit jeher im Weinberg auch Bohnen an – keine guten Karten, um beim örtlichen Oberrabbinat als Zulieferer in die engere Wahl zu kommen. Was dem prächtigen Blaufränkisch‘ aber keinen Abbruch tut.

Châteauneuf du Pape

Eine andere Geschichte ist die von Châteauneuf du Pape im Süden Frankreichs. Wie der Name sagt, hängt der dortige Weinbau mit dem Oberhaupt der Römischen Kirche irgendwie zusammen. Schließlich bezeichnen sich Benedikt XVI. und Franziskus als einfache Arbeiter im Weinberg des Herrn. Was wir als Metapher gerne zur Kenntnis nehmen.

Vor rund siebenhundert Jahren nimmt der Heilige Vater vorübergehend Sitz in Avignon. Mitunter nicht ganz freiwillig. Einer davon ist Johannes XXII., Sohn eines Flickschusters.

Letzteres tut aber wirklich nichts zur Sache, mag sich der geneigte Leser denken. Doch, denn es ist ein Beleg, um zu zeigen: Im vorindustriellen Europa ist die Kirche die einzige Institution, in der ein Aufstieg aufgrund von Begabung ohne Berücksichtigung der Herkunft möglich ist.

Johannes XXII. läßt sich im Dorf Châteauneuf du Pape eine Sommerresidenz bauen, anno Domini 1318, und fördert darüber hinaus den Weinbau.

Zum Wohle der Kleriker sowie der ihnen anvertrauten Herde, die Devise lautet schon damals: Unterm Krummstab ist gut leben.

Heute kreiert man auf dem Terroir, das bis 1791 Teil des Kirchenstaates ist, abenteuerlich alterungsfähige, komplexe und vornehme Assemblagen (ein hochgestochener Ausdruck; bei uns heißt es da einfach gemischter Satz oder gar Verschnitt) aus den dreizehn erlaubten Rebsorten.

Zumindest historisch und vom Namen her zählt der edle Tropfen aus Châteauneuf du Pape zu den geistlichen Weinen. Als Kenner erweist sich derjenige, der sich dort im Weingut Château de Beaucastel mit ein paar Flaschen vom Feinsten eindeckt. Na dann: A votre santé!.

Hinweise

Dieser Beitrag von Erich Körner-Lakatos wurde einer konservativen Wiener Wochenzeitung entnommen.

  • Siehe auch den Beitrag desselben Autors:
    Die Exklusive – das ius exclusivae
    Franz Joseph I., österreichischer Kaiser von Gottes Gnaden, verhindert 1903 einen pro-französischen Papst. Werkzeug dafür ist ein Vetorecht.

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von E.Körner-Lakatos:

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Ada Kaleh, Tannu-Tuwa, Acre
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Ein Japaner zog Europas Grenze
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Es gelten die traditionellen katholischen Begriffsdefinitionen.

 
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