Donnerstag, 6. Juni 2013
Eleison Kommentare (305 et 306)

Ewige Verdammnis?

Bischof Williamsons Eleison Kommentare,
Nummer CCCV et CCCVI (305 et 306)

 
Teil I (CCCV)

Ein Leser brachte erneut eine klassische Fragestellung zur Sprache, die schon einige Male ein direktes oder indirektes Thema in den „Eleison Kommentaren“ war. Weil die Fragestellung so ernst ist, verdient sie eine eigene Abhandlung. Der Leser schreibt: „Wegen der Lehre von der ewigen Verdammnis fällt es mir schwer, Katholik auf jene Weise zu sein, wie ich es wünschte. Es ist als ob ich die Vorstellung nicht zu akzeptieren vermag, daß eine Seele bis in alle Ewigkeit unablässig gequält werden kann. Das ist einfach zu schrecklich. Es muß doch eine katholische Lehre geben, die nicht so schablonenhaft ist.“ Kurz gesagt lautet also die Frage, ob auch nur eine einzige Seele gerechterweise dazu verurteilt werden kann, in alle Ewigkeit furchtbare Qualen zu erleiden.

Als Hinweis mag nützlich sein, daß wir noch heute jene Höhle im spanischen Segovia besuchen können, wo ein großer Heiliger, der Hl. Dominik, eine ganze Nacht lang im Gebet qualvoll über diese Fragestellung nachgedacht und gebetet hat. Doch gleichzeitig muß klar sein, daß der Allmächtige Gott nicht auf die Anklagebank gebracht werden kann, so als ob Er verdiene, entweder verurteilt oder freigesprochen zu werden. Nun lehrt Seine Kirche, daß eine Seele bereits wegen einer einzigen Todsünde in das ewige Höllenfeuer gelangen kann. Angenommen, ich bin mit dieser Lehre nicht einverstanden, so liegt allerdings der Irrtum nicht aufseiten Seiner Kirche, sondern bei mir. Und wieso irre ich mich?

Die Antwort lautet: aus einem oder beiden von zwei miteinander verbundenen Gründen. Denn entweder begreife ich nicht die Größe und Güte Gottes; was relativ leicht passieren kann, weil mein kleiner Verstand endlich ist, während Gott unendlich ist. Oder aber ich begreife nicht die Schwere der Versündigung; was auch relativ leicht passieren kann, denn eine Sünde beleidigt an erster Stelle Gott, an zweiter Stelle mich und erst danach meinen Nächsten. Wenn ich also die Größe Gottes, der durch Sünden beleidigt wird, nicht begreife, so begreife ich natürlich auch nicht die Schwere von Sünden.

Folglich wird die entscheidende Frage sein, ob der gütige Herrgott jedem menschlichen Wesen, das jemals lebte, während seiner kurzen Erdenzeit auch genügend Mittel an die Hand gegeben hat, damit dieser Mensch auch weiß, daß Gott existiert, daß Er beleidigt werden kann, womit Er beleidigt wird und wie schwerwiegend es ist, Ihn zu beleidigen. Die Antwort auf alle vier Teilfragen kann nur bejahend ausfallen:

  • Um die Existenz Gottes zu erkennen, benötige ich keinen übernatürlichen Glauben. Bereits durch aufrichtige menschliche Vernunft erkennen wir, daß hinter allen guten Dingen im Leben eines Menschen stets ein höchstes, gutes Wesen steht. Zwar mag ein Verstand, welcher durch den Stolz verbogen und aus dem Lot geraten, oder durch die Sünde verdunkelt worden ist, nicht mehr von diesem höchsten Wesen künden. Doch jede Verbiegung oder Verdunkelung ist nicht Gottes, sondern meine Schuld, und sie verdient eine Bestrafung entsprechend dem Umfang all der guten Dinge, welche ich in diesem Leben erfahren und welche ich auf „unentschuldbare Weise“ (vgl. Römerbrief 1,20) nicht Gott zugeschrieben habe.
  • Die Wirklichkeit des freien Willens ist für uns eine alltägliche Erfahrung. Jeder Mensch besitzt das natürliche Licht des Gewissens, welches uns einerseits sagt, daß wir dem Höchsten Wesen Anbetung schulden, und andererseits, daß die Verweigerung dieser Anbetung dieses Höchste Wesen beleidigt. Das ist das Erste Gebot, welches uns auch ohne Glauben bekannt ist.
  • Das natürliche Gewissen lehrt mich auch die anderen neun der Zehn Gebote, welche lediglich das Naturrecht in Worte kleiden. Und das Gewissen sagt mir auch, daß das Gebotebrechen nicht nur meinen Nächsten beleidigt, sondern auch bzw. in erster Linie jenes Höchste Wesen.
  • Je reiner mein Gewissen ist, desto deutlicher sagt es mir, wie schwerwiegend eine Beleidigung Gottes ist. Nun ist das Problem zwar, daß wir alle Sünder sind und daß jede Sünde dazu beiträgt, unser Gewissen zu verdunkeln. Doch ist die Versündigung nicht Gottes, sondern unsere Schuld; also ist es vollkommen gerecht, wenn wir bestraft werden entsprechend der Art und Weise, wie wir unseren Verstand verdunkeln.

Nun erhalten also alle Menschen genügend Wissen über Gott, um nach dem irdischen Leben eine Bestrafung zu verdienen in Abhängigkeit davon, wie sehr sie Gott beleidigt haben. Doch mag man einwenden, wie denn ein bloßer Mensch Gott so sehr beleidigen kann, daß eine ewige und unvorstellbar schlimme Strafe noch gerecht ist? Der nächste „Eleison Kommentar“ (CCCVI, hier direkt anschließend, Anm. d. Red.) will sich diesem Geheimnis annähern, welches einigermassen so tiefgründig ist wie Gott selber.

Kyrie eleison.

 
Teil II (CCCVI)

Gewiß ist es müßig zu behaupten, daß wir Menschen das Geheimnis ergründen können, welches hinter der Verdammnis auch nur einer einzigen Seele steht, geschweige denn hinter der Verdammnis der Mehrheit der lebenden und sterbenden Menschen. Trotzdem können wir auf Aussagen zurückgreifen, welche uns verstehen helfen, daß dieses Thema ein Geheimnis jenseits unserer menschlichen Erkenntnisfähigkeit birgt.

Der Schlüssel zu diesem Geheimnis liegt gewiß in der unendlichen Größe bzw. Unbegrenztheit von Gott begründet. Wenn Gott unendlich ist, so ist seine Beleidigung ein Vergehen, welches auf eine gewisse Weise ebenfalls grenzenlos ist. Ein endliches Menschenwesen kann jedoch nur dadurch auf unendliche Weise leiden, daß dieses Leiden zeitlich keine Grenze bzw. kein Ende hat. Auf diese Weise entsteht dann ein gewisses Verhältnis zwischen einem schweren Vergehen gegen Gott und einer ewigen Strafe.

In abstrakter Hinsicht fällt das Begreifen der Unendlichkeit bzw. Grenzenlosigkeit Gottes uns nicht allzu schwer. Denn wir sind von lauter Wirkungen umgeben, welche alle eine Ursache erfordern. Doch so wie eine schier endlose Aneinanderreihung von Kettengliedern nicht ohne Deckenhaken aufgehängt sein kann, so kann auch eine Verkettung von Ursachen nicht unendlich weitergehen. Deshalb muß eine Erstursache existieren, welche wir Gott nennen. Wenn nun diese Erstursache wiederum zusammengesetzt wäre bzw. aus mehreren Teilen bestünde, so müßte jemand oder etwas, welches diese Zusammensetzung durchgeführt hat, vor der Erstursache gekommen sein – und das ist schlicht unmöglich. Daher kann Gott nicht zusammengesetzt, sondern nur einfache und reine Existenz sein. Eine solche Existenz ist allerdings durch sich selber bzw. an sich unbegrenzt. Deshalb hätte jede Begrenzung von Gottes Wesen diesem von einem Begrenzer auf erlegt werden müssen, welcher vor Gott existiert haben müßte – erneut unmöglich. Aus diesem Grund unterliegt die Erstursache als Wesen keiner Begrenzung, und Gott ist somit eine unendliche Existenz.

In konkreter Hinsicht begreift unser Verstand allerdings die Unendlichkeit Gottes nicht so leicht. Unser menschlicher Verstand arbeitet den ganzen Tag lang mit begrenzten bzw. endlichen Geschöpfen und aus diesen heraus. Wir denken nur dann vom Unendlichen, wenn wir unser Herz und unseren Verstand zu Gott erheben. Üblicherweise resultiert daraus auch eine gewisse Schwierigkeit mit dem Beten, weil wir eine grenzenlose Güte uns nur vorstellen können, indem wir an eine begrenzte Güte denken und dann diese Grenze uns wegdenken. Zum Beispiel ist Gott so schön wie ein Sonnenuntergang – nur noch unendlich schöner.

Aus dem Gesagten folgt: je stärker wir in unser Alltagsleben eintauchen, desto schwerer fällt unserem Verstand und Herzen das Erfassen, wer oder was dieser Gott ist, welcher hinter all diesen begrenzten Wesen steht, die unser Alltagsleben ausmachen. Und umgekehrt gilt: je mehr wir unseren Verstand und Herz dem Verstehen und Lieben der unbegrenzten Güte widmen, welche notwendigerweise hinter all den begrenzten guten Dingen in unserem Alltag steht, desto leichter fällt uns der Zugang zum Geheimnis von Gottes unendlicher Güte und zum entsprechenden Geheimnis der Undankbarkeit von so vielen seiner menschlichen Geschöpfe.

Um also dem Geheimnis der Verdammnis von Seelen ein bißchen näherzukommen – ohne es auch nur im entferntesten ergründen zu können –, brauchen wir nur dem Beispiel des Hl. Dominik zu folgen, und zu beten. Dieses Beten bedeutet nicht, daß ich mir vormache, daß Gott recht hat, wo er eigentlich unrecht hat. Es bedeutet im Gegenteil, daß ich jener Wahrheit näher komme, daß er recht hat und ich – unrecht!

Die Exerzitien des Hl. Ignatius von Loyola helfen erheblich dabei, Herz und Verstand Gott zuzuwenden. Ein Heiliger betete einmal in dieselbe Richtung: „O Liebe, Du wirst nicht geliebt. Würdest Du doch nur geliebt werden. Gib, daß ich Dich so liebe, wie Du geliebt werden solltest, und dann tue mit mir, was immer Du willst.“

Kyrie eleison.

© 2013 Richard N. Williamson. Alle Rechte vorbehalten.
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