Freitag, 29. März 2013
Piusbruderschaft

Wie hält es das „neue Rom“ mit den Glaubenstreuen?

Der Praefekt der Glaubenscongregation verlangt von der Piusbruderschaft eine vorbehaltlose Anerkennung der kirchlichen Lehre – auch der Teile, die zum Glaubensabfall geführt haben.

Dauert Roms Streben zu einer Einigung mit der Piusbruderschaft weiter an? [Bild: Mazur/catholicchurch/England/Wales]

Schwieriger werdende Gespräche

Bereits Ende Juli 2012 hat die Piusbruderschaft nach Äußerungen des neuernannten Praefekts der Glaubenscongregation, des Kurienerzbischofs Gerhard Ludwig Müller, einen „glücklichen Abschluß“ der Gespräche mit Rom „in immer weitere Ferne rücken“ sehen.

Die Piusbrüder müßten akzeptieren, daß das Zweite Vaticanische Konzil verbindlich sei, die Erklärungen „zum Judentum, zur Religionsfreiheit, zu den Menschenrechten“ können sie „nicht ablehnen, ohne den katholischen Glauben zu beeinträchtigen“, so Erzbischof Müller zur einer süddeutschen, antikirchlichen Zeitung.

Kritisiert hat er aber auch die Ungehorsamsinitiative von Hw. Schüller, die „ein Kirchenbild [hat], das davon ausgeht, daß die Menschen sich selbst ihre Kirche schaffen, nach eigenem Geschmack und jeweiligem Zeitgeist“. Die ist „mit dem christlichen Glauben nicht zu vereinbaren“.

Schreiben von Erzbischof Di Noia

In der Adventzeit 2012 hat Papst Benedikt XVI. Erzbischof Di Noia als Vizepräsidenten der Päpstlichen Kommission „Ecclesia Dei“ zu einer Wiederaufnahme der Gespräche mit den Traditionalisten ermuntert. Ein Schreiben an die Bruderschaft sollte dazu dienen.

Was macht das „neue Rom“?

Durch den Amtsverzicht von Papst Benedikt XVI., der eine Einigung durchaus betrieben hat, ist eine neue Situation entstanden. Papst Franciscus scheint weniger Interesse an Traditionen der Kirche zu haben als Papst Benedikt XVI.

Kürzlich hat Erzbischof Müller, der auch unter Papst Franciscus als Praefekt der Glaubenscongregation (noch) im Amt ist, die Unterzeichnung der von der Glaubenscongregation verfaßten, dogmatischen Präambel als Vorbedingung für die Einheit der Piusbrüder mit der Kirche bezeichnet.

Die Piusbruderschaft antwortet in der Öffentlichkeit mit einer Darlegung des Inakzeptablen.

Wörtlich heißt es seitens der Piusbruderschaft:

„Daher hier nochmals eine kurze Übersicht dessen, was die Piusbruderschaft an der nachkonziliaren Haltung nicht akzeptiert.

1.) Die Piusbruderschaft anerkennt die Menschenrechte. Doch sie stellt fest: Die Kirche kann sich nicht auf die Menschenrechte berufen, da diese geschichtlich viel zu spät in Erscheinung treten. Die Kirche besitzt die Menschenrechte in Form der 10 Gebote schon seit 2000 Jahren, wenn man die Zeit der göttlichen Auserwählung des Volkes Israel dazurechnet, dann mehr als 3000 Jahre.

Würden die Menschen sich an die 10 Gebote halten, gäbe es kein Unrecht gegen jedweden Menschen auf Erden. Zudem sind die 10 Gebote weit umfassender, denn sie beinhalten nicht nur die Rechte der Menschen (4. bis 10. Gebot), sondern auch die Rechte Gottes.

Geschichtlich gebildete Menschen wissen zudem, dass die Menschenrechte von den Freidenkern der Aufklärung bewusst als Gegensatz zu den Geboten der Kirche aufgestellt wurden. Wer noch genauer den Verlauf der Geschichte betrachtet, muss zugeben, dass die ersten Menschenrechte der Neuzeit von der Kirche formuliert wurden. Der Dominikanermönch Bartholomé de Las Casas verwendet 1552 als Erster das Wort ‚Menschenrechte‘ in einem Schreiben zur Verteidigung der peruanischen Ureinwohner an den mit der Sklavenfrage befassten ‚Indienrat‘. Er spricht von den ‚Prinzipien der Rechte der Menschen‘ (‚las reglas de los derechos humanos‘) und gilt damit auch geschichtlich als der eigentliche Begründer derselben.
Kurzforderung: Die Piusbruderschaft anerkennt die Menschenrechte, will aber mehr: Gemäß der Präambel der deutschen Verfassung will sie auch die ‚Verantwortung vor Gott‘ und damit die Gebote Gottes für eine immer materialistischer und hedonistischer werdende Gesellschaft.

2. Die Piusbruderschaft will die wahre Religionsfreiheit. Die wahre Religionsfreiheit besteht darin, dass niemand, auch in einem katholischen Staat, in seiner persönlichen Glaubensentscheidung gezwungen werden darf.

Diese Lehre hat aber nicht das Konzil erfunden, wie viele denken, sondern sie wurde vor 750 Jahren von Thomas v. Aquin für das Hochmittelalter formuliert. Doch auch dieser beruft sich dabei schon auf 1000 Jahre Christentum, denn er zitiert Augustinus, der die wahre Religionsfreiheit zum ersten Mal in eine griffige Formulierung brachte: ‚Credere nonnisi volens.‘ – ‚Der Glaubensakt ist schlichtweg unmöglich, außer er ist freiwillig.‘ (Augustinus, In Io. tr. 26 super 6,44)

Die Piusbruderschaft stellt jedoch fest: Das Konzil gibt etwas als ‚Religionsfreiheit‘ aus, das in klarem Widerspruch zum Verfassungsschutz in Deutschland steht. Bundesinnenminister Friedrich geht augenblicklich aktiv gegen die Salafisten in Deutschland vor. Die Salafisten könnten sich jedoch ohne Weiteres auf die falsch definierte Religionsfreiheit des II. Vatikanums berufen: Dort steht wortwörtlich, dass ‚niemand gehindert werden darf, öffentlich in Verbindung mit anderen nach seinem Gewissen zu handeln‘ (Dignitatis humanae). Der Salafist ist aus Gewissensgründen überzeugt, dass er die Vorschriften seiner Religion erfüllt, die ihm in Sure 9,5 gebietet: ‚Sind aber die heiligen Monate verflossen, so erschlaget die Götzendiener.‘ – Der Zusatz des Konzils ‚innerhalb der gebührenden Grenzen‘ bleibt für eine Lösung des Problems zu undefiniert. Für den gewaltbereiten Moslem ist alles, was die Scharia erlaubt, "innerhalb der gebührenden Grenzen".
Zusammenfassung: Die Piusbruderschaft ist für die wahre Religionsfreiheit: Kein Zwang in der persönlichen Glaubensentscheidung, auch nicht in einem katholischen Staat. Jedoch ist sie gegen staatlichen Indifferentismus, der gewaltbereite Weltanschauungen mit dem Christentum auf eine Stufe stellt.

3. Zur Frage nach der Stellung der Piusbruderschaft zum Judentum lesen Sie bitte: ‚Wie steht die Piusbruderschaft zum Judentum?‘ Übrigens ist es ein weit verbreiteter Irrtum, die Kirche habe auf dem Konzil einen separaten Heilsweg für das jüdische Volk verkündet. Die Textpassage von Nostra Aetate spricht eindeutig davon, dass auch Jesu eigenes Volk ihn als den Erlöser anerkennen werde:

‚Wie die Heilige Schrift bezeugt, hat Jerusalem die Zeit seiner Heimsuchung nicht erkannt, und die Juden haben zu einem großen Teil das Evangelium nicht angenommen, ja, nicht wenige haben sich seiner Ausbreitung widersetzt. ... Zusammen mit den Propheten und demselben Apostel erwartet die Kirche den Tag, der nur Gott bekannt ist, an dem alle Völker mit EINER Stimme den Herrn anrufen und „ihm Schulter an Schulter dienen werden. ... Die Kirche glaubt nämlich, dass Christus, unser Friede, durch das Kreuz Juden und Heiden versöhnt und aus beiden in sich selbst eins gemacht hat.‘ (Nostra aetate 4)

4. Die Piusbruderschaft befürwortet den respektvollen Dialog und das Gespräch mit den anderen Religionen und Weltanschauungen. Doch was seit dem Konzil als ‚Ökumene‘ deklariert wird, ist im Grunde eine Form der Selbstaufgabe der katholischen Kirche: Man spricht allen Religionen der Erde eine Art Heilswirksamkeit zu. Ganz im Sinne der Freidenker werden alle Weltanschauungen als gleichberechtigte Wege der Menschheit betrachtet. Für jeden Menschen ist eine bestimmte Form der Religiosität – abhängig von seiner Kultur, seinem Land, seiner Lebensweise – die richtige.

Diese Haltung verstößt direkt gegen das erste Gebot Gottes: ‚Höre Israel, ich bin der Herr Dein Gott. Du sollst keine fremden Götter neben mir haben!‘ (Ex 20,3) Sie verstößt direkt gegen das Evangelium: ‚Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet werden. Wer nicht glaubt, wird verdammt werden.‘ (Mk 16,16) Und ‚Niemand kommt zum Vater als durch mich.‘ (Joh 14,6)

So hatte der Vorgänger des jetzigen Papstes, Leo XIII., vor genau 111 Jahren noch den Mut, diesen Anspruch der Kirche, die wahre Religion und das Heil der Menschen zu sein, als Papst öffentlich zu formulieren, während man jetzt in Rom den nicht-christlichen Weltanschauungen mitteilt, sie würden den wahren Gott anbeten:

‚Soll aber diese Rückkehr [der durch den Abfall zerrütteten Völker] wahres und volles Heil bringen, so muss sie eine Rückkehr in den Schoß der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche sein. Denn die Kirche allein ist Trägerin des ganzen Christentums, jene ganz geistliche und vollkommene Gesellschaft, die der mystische Leib Christi ist und zum sichtbaren Oberhaupt den Bischof von Rom hat, den Nachfolger des Apostelfürsten. Sie setzte der Erlöser des Menschengeschlechtes ein als Vollenderin seines Werkes und zur Ausspenderin des ihr anvertrauten Heils, sie verbreitete das Evangelium über die Erde und verteidigte es mit ihrem Blute, und im Vertrauen auf die heiligsten Verheißungen und den immerwährenden göttlichen Beistand führt sie frei von allem Irrtum den Auftrag aus, die Lehre Christi bis an das Ende der Zeiten unverfälscht zu bewahren.‘ (Enzyklika Annum ingressi sumus, 1902)

Die entscheidende Frage ist also, was Erzbischof Müller mit der Forderung nach einer ‚vorbehaltlosen Anerkennung der kirchlichen Lehre‘ meint.

Wenn damit die Anerkennung der katholischen Kirche als der einzig wahren, von Gott gestifteten Religion und der unverzichtbare Glaube an Jesus Christus als den Sohn Gottes und Erlöser aller (!) Menschen gemeint ist, dann wird die Piusbruderschaft mit Freuden den Wünschen des Glaubenspräfekten folgen.

Ist damit aber die freidenkerische Religion aller Religionen gemeint, in der jeder – unabhängig von seiner persönlichen religiösen Überzeugung – gerettet wird, dann wird die Piusbruderschaft stolz darauf sein, mit allen Päpsten der Geschichte, namentlich mit Papst Pius XI., zu bekennen:

‚Es gibt nämlich keinen anderen Weg, die Vereinigung aller Christen herbeizuführen, als den, die Rückkehr aller getrennten Brüder zur einen wahren Kirche Christi zu fördern, von der sie sich ja einst unseligerweise getrennt haben. Zu der einen wahren Kirche Christi, sagen Wir, die wahrlich leicht erkennbar vor aller Augen steht, und die nach dem Willen ihres Stifters für alle Zeiten so bleiben wird, wie er sie zum Heile aller Menschen begründet hat. Die mystische Braut Christi ist ja im Laufe der Jahrhunderte niemals befleckt worden, und sie kann nie befleckt werden nach den schönen Worten Cyprians: "Zum Ehebruch läßt sich die Braut Christi nicht führen, sie ist unbefleckt und züchtig." (Mortalium Animos, Pius XI., 1928)

Zu diesen Worten von Papst Pius XI. kann man wahrlich Erzbischof Müller zitieren: ‚Wer das nicht anerkennt, ist kein Katholik.‘“

Aussichten

Wenn der Praefekt der Glaubenscongregation als Vorbedinung genau das verlangt, was die Piusbruderschaft fundamental kritisiert, wird der Dialog schwierig.

Wenn Rom aber die Positionen der Piusbruderschaft auch nur in Ansätzen so akzeptiert, wie es das bei den Modernisten macht, dann sollte eine Einigung wohl nur mehr eine Frage der Zeit sein.

Oder haben Sie schon davon gehört, daß gegen diejenigen, die offen zum Ungehorsam aufgrund fundamentaler Differenzen mit der Lehre der Kirche gegen diese Kirche aufrufen, die „ein Kirchenbild [haben], das davon ausgeht, daß die Menschen sich selbst ihre Kirche schaffen, nach eigenem Geschmack und jeweiligem Zeitgeist“ (siehe Erzbischof Müller, oben) exkommuniziert wurden, wie man es mit der Piusbruderschaft gemacht (von Papst Benedikt XVI. aufgehoben) hatte?

„Nec laudibus nec timore!“

Seliger Clemens August Kardinal von Galen, Wahlspruch

Es gelten die traditionellen katholischen Begriffsdefinitionen.

 
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