Mittwoch, 27. März 2013
Papstwahl

Die Exklusive – das ius exclusivae

Franz Joseph I., österreichischer Kaiser von Gottes Gnaden, verhindert 1903 einen pro-französischen Papst. Werkzeug dafür ist ein Vetorecht.

Mariano Rampolla del Tindaro: Mit den Insignien eines Ehren- und Devotions-Großkreuz-Bailli des Malteserordens [Bild: Wikipedia]

Tempora mutantur: Beim Konklave vor 110 Jahren hat das Kaisertum Österreich noch ein gewichtiges Wörtchen mitzureden, denn es verfügt über ein Vetorecht, das es prompt einsetzt.

Papst Leo XIII. schließt am 20. Juli 1903 die Augen. Nun steht die Wahl des neuen Papstes im Rahmen eines Konklaves auf der Tagesordnung. Dieses beginnt am 31. Juli.

64 stimmberechtigte Kardinäle

Stimmberechtigt sind 64 Kardinäle: 39 Italiener, sieben Franzosen, fünf Spanier, ebenfalls fünf aus Österreich-Ungarn, drei aus dem Deutschen Reich. Dazu kommt je einer aus Portugal, Belgien, England, den USA und Australien. In Rom anwesend sind derer 62, denn Kardinal Patrick Moran aus Sydney kann angesichts der damaligen Verkehrsbedingungen nicht rechtzeitig zur Stelle sein. Für Pietro Michelangelo Celesia, Erzbischof von Palermo, ist das Dabeisein hingegen aus Krankheitsgründen nicht möglich.

Die fünf Kirchenfürsten aus der Doppelmonarchie sind Kolos Ferenc Vaszary (Gran Esztergom), Leo Freiherr Skrbenský (Prag), Jan Puzyna (Krakau), Johannes Katschthaler, als Erzbischof von Salzburg Primas Germaniae, schließlich Anton Gruscha, Erzbischof von Wien. 

Wahlgänge

Die für eine gültige Wahl erforderliche Zweidrittelmehrheit (der Anwesenden) beträgt sohin 42. Am 1. August um zehn Uhr am Vormittag wird erstmalig abgestimmt. Wie erwartet, heimst Rampolla die meisten Stimmen (24) ein, in der zweiten Runde zieht er mit 29 Stimmen davon.

Jetzt brennt für die Gegner Rampollas – das ist in erster Linie Österreich-Ungarn – der Hut, denn Rampolla ist für die Doppelmonarchie ein rotes Tuch. Unter seiner Federführung wendet sich der Heilige Stuhl vom erzkatholischen Haus Habsburg ab und der Französischen Republik zu, wobei letztere mit dem zaristischen Rußland verbündet ist, das wiederum die katholischen Polen unterdrückt.

Das ius exclusivae

Es ist für Wien an der Zeit, sein Atout auszuspielen, das ius exclusivae, nämlich die Befugnis bestimmter katholischer Fürsten, einen nicht genehmen Bewerber von der Papstwahl auszuschließen. Die Exklusive, wie das ius exclusivae kurz genannt wird, steht außer dem Kaiser von Österreich dem König von Spanien sowie der französischen Regierung als Rechtsnachfolgerin der Könige von Frankreich und Navarra zu.

Falsch ist die hin und wieder (siehe Google) vertretene Auffassung, Franz Joseph habe das Privileg (welches grundsätzlich auch den Magyaren für ihren Kampf als athletae Christi gegen die Türken gebühren sollte) in seiner Eigenschaft als König von Ungarn eingelegt. Wäre dies so, dann hätte sich der Monarch sicherlich des Fürstprimas von Ungarn, also des Erzbischofs von Gran, bei der Einlegung des Vetos bedient.

Kardinal Rampolla kann nicht gewählt werden

In weiser Voraussicht hat Franz Joseph I. dem Kardinal Puzyna ein sogenanntes Sekretum mit auf den Weg nach Rom gegeben, worin das Veto gegen Rampolla schriftlich niedergelegt ist. Puzyna legt vor dem dritten Wahlgang (2. August) das Veto ein, das auf Deutsch lautet:

„Durch Allerhöchsten Auftrag zu diesem Amte berufen, rechne ich es mir zur Ehre an, dem Dekan des Heiligen Kollegiums in offizieller Weise mitzuteilen und es durch diesen mitteilen zu lassen: Seine Apostolische Majestät der Kaiser von Österreich und König von Ungarn beabsichtigt, sich eines althergebrachten Rechtes und Privilegs zu bedienen, nämlich das Veto gegen die Wahl Seiner Eminenz des Herrn Kardinals Mariano Rampolla del Tindaro einzulegen.“

Giuseppe Sarto wird Pius X.

Damit ist Rampolla aus dem Rennen, zwei Tage später wird Giuseppe Sarto, der Patriarch von Venedig, zum neuen Oberhaupt der Kirche gekürt. Er nimmt den Namen Pius X. an. Österreich-Ungarn hat sich durchgesetzt. Wieder einmal scheint der alte Spruch zu gelten: AEIOU – Alles Erdreich ist Oesterreich untertan.

Doch schon am 20. Jänner 1904 erläßt Pius X. die Konstitution Commissum Nobis. Der Inhalt ist eine kalte Dusche für Wien, denn ab nun wird jeder Kardinal, der sich einer weltlichen Macht als Bote für die Überbringung des ius exclusivae zur Verfügung stellt, mit der excommunicatio latae sententiae bedroht. Damit gehört das von Franz Joseph in Anspruch genommene altehrwürdige Privileg der Vergangenheit an.

Hinweise

Dieser Beitrag wurde entnommen aus:

Erich Körner Lakatos:
Palais des Beaux Arts? Normannen in der Karibik?
Vierzig historische Nischen

Edition Octopust, 2012, 369 Seiten, 17,80 Euro
Münster: Verl.-Haus Monsenstein und Vannerda
978-3-86991-601-9

 
Weitere äußerst empfehlenswerte Publikationen
von Erich Körner-Lakatos:

Horthy Miklós: Bruchstücke und Ergänzungen
Edition Octopus, 2011, 455 Seiten
Münster: Verl.-Haus Monsenstein und Vannerdat
978-3-86991-408-4

Ada Kaleh, Tannu-Tuwa, Acre
50 historische Nischen

Edition Octopus, 2010, 365 Seiten
Münster: Verl.-Haus Monsenstein und Vannerdat
978-3-86991-172-4

Ein Japaner zog Europas Grenze
… und 62 weitere Merkwürdigkeiten der Weltgeschichte

Wien: W3 Verlag, 2005, 395 Seiten
978-3-900052-06-5

„Nec laudibus nec timore!“

Seliger Clemens August Kardinal von Galen, Wahlspruch

Es gelten die traditionellen katholischen Begriffsdefinitionen.

 
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