Mittwoch, 13. März 2013
Eleison Kommentare (293)

Unschuldige Liberale?

Bischof Williamsons Eleison Kommentare, Nummer CCXCIII (293)

Vor vier Wochen bejahten die „Eleison Kommentare“ die Frage, ob Liberalismus wirklich so schrecklich sei, wofür er gehalten wird. Denn der Liberalismus führt implizit einen Krieg gegen Gott. Es blieb die Frage offen, ob die vielen Liberalen, welche abstreiten, Liberale zu sein, Recht haben. Die Antwort lautet, daß wir alle heute sicherlich so vom Liberalismus durchtränkt sind, daß nur noch wenige von uns überhaupt merken, wie liberal wir in Wirklichkeit sind.

Liberalismus im weitesten Sinne meint die Befreiung des Menschen von Gottes Gesetz, was z.B. jeder Mensch tut, wenn er eine Sünde begeht. Somit ist im weitesten Sinne jeder Sünder ein Liberaler und also müßte auch jeder Sünder zugeben, daß er im weitesten Sinne ein Liberaler ist. Allerdings ist es eine Sache, Gottes Gesetz zu brechen und dabei wenigstens noch einzugestehen, daß Gott wirklich Gott und daß sein Gesetz auch sein Gesetz ist. Ein derartiger Sünder wäre lediglich ein praktischer Liberaler. Etwas ganz anderes ist hingegen, Gottes Gesetz zu brechen und dabei abzustreiten, daß Gott wirklich Gott und daß sein Gesetz auch wahrlich sein Gesetz ist. Ein solcher prinzipieller Liberaler stellt den Liberalismus der modernen Zeit dar.

Mit der Französischen Revolution von 1789 platzte dieser moderne Liberalismus in das Weltgeschehen hinein. Denn die Satzung dieser Revolution – die sogenannte Erklärung der Menschenrechte – war in Wirklichkeit eine Erklärung der Unabhängigkeit des Menschen von Gott. Wenn von nun an ein Mensch das Gesetz Gottes befolge, so mache er dies ausschließlich aus eigener Entscheidung heraus, nicht jedoch auf Geheiß oder Befehl von Gott. Durch diesen scheinbaren Gehorsam verhält der Mensch sich dann zwar praktisch nicht wie ein Liberaler, aber im tieferen Sinn ist er durch all sein Tun sogar ein prinzipieller Liberaler. Dies ist der moderne Liberalismus, dessen heutige Katholiken ihre Gegner oft bezichtigen. Haben diese Gegner dann Recht, wenn sie ebenso oft abstreiten, überhaupt Liberale zu sein? Subjektiv ja, aber objektiv nein.

Subjektiv ja, weil die Menschen seit 1789 die falschen Prinzipien der Revolution immer stärker in sich aufgesogen haben, so daß sie angesichts der Beschuldigung, von Gottes Gesetz sich zu befreien, ehrlich antworten können: „Welches Gesetz? Welcher Gott? Von was reden Sie nur!“ In einem so großen Maße wurden Gott und sein Gesetz anscheinend ausgelöscht.

Objektiv nein, weil Gott und sein Gesetz eben mit Sicherheit nicht zu existieren aufgehört haben. Und das wissen tief in ihrem Innern selbst die modernen Menschen. Zu behaupten, daß Gott nicht existiere, ist sogar „unentschuldbar“ (siehe Römer 1,20), und Gottes Gesetz ist den Menschen in ihr Herz geschrieben (siehe Römer 2,15), was immer die Menschen mit dem Munde auch sagen mögen. Beim oben erwähnten „ehrlich antworten“ muß also das „ehrlich“ in Anführungszeichen stehen, denn es wird nur gelten, was es vor Gottes Richterstuhl gilt.

Können also die Oberen der Priesterbruderschaft St. Pius X., welche ihre Bruderschaft mit der Konzilskirche vereinigen wollen, wirklich bestreiten, Liberale zu sein? Aus subjektiver Sicht sind sie gewiß davon überzeugt, ihr Bestes für die Kirche zu geben. Doch objektiv gesehen versuchen sie halsstarrig, das gegen-revolutionäre Werk von Erzbischof Lefebvre den Amtskirchen-Autoritäten zu unterwerfen, welche wiederum wild entschlossen sind, die liberale Revolution ein für allemal triumphieren zu lassen. Dabei sagen sie, daß wir wieder in die sichtbare Kirche eintreten müßten, weil sie die katholische Kirche sei. Aber auch die anglikanische „Kirche“ ist immer noch in ganz England sichtbar, und dennoch macht sie das nicht katholisch. Zudem kann den gegenwärtigen Bruderschaftsoberen nicht entgangen sein, auf welche Art und Weise sie die Worte des Erzbischofs verzerren und unterdrücken, um ihn an ihre Vision von Kirche anzupassen.

Die traurige Wahrheit ist, daß diese zuletzt erwähnten Liberalen nie verstanden haben, um was es Erzbischof Lefebvre wirklich ging. Wie so viele von uns waren sie zu seinen Lebzeiten von seinem Charisma wie gebannt. Doch begriffen sie seinen Glauben nie, welcher für sein Charisma die gleiche Bedeutung hatte wie die Wurzel für ihre Frucht. Es sei diesen Liberalen angerechnet, daß sie diese Frucht des Erzbischofs liebten. Doch kaum war er unter dem Boden, da fing die entwurzelte Frucht an, zu verwelken und abzusterben. Und weil sie den Glauben des Erzbischofs nicht begriffen, war es auch unvermeidlich, daß sie seine Bruderschaft in ihre eigene umwandeln würden. Genau das erleben wir seit einiger Zeit. Himmel hilf!

Kyrie eleison.

© 2013 Richard N. Williamson. Alle Rechte vorbehalten.
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